Neckartalbrücke wird dank spezieller Ingenieurs-Idee deutlich günstiger bewegt
Das Nürnberger Ingenieurbüro K+S Ingenieur-Consult GmbH & Co. KG hat – in enger Zusammenarbeit mit der Hochtief Infrastructure GmbH und im Auftrag der BauArge A6 West – den für den 13. Januar 2022 geplanten Querverschub der neuen A6-Neckartalbrücke nahe Heilbronn geplant und mit vorbereitet. Die zweigeteilte Konstruktion ist mit ihren insgesamt 1,3 Kilometern die längste Autobahnbrücke Baden-Württembergs. Die Altbrücke aus den 1960-er-Jahren, die an derselben Stelle gestanden hatte, musste abgerissen werden.
Das mittelfränkische, inhabergeführte K+S Ingenieurbüro ist seit der offiziellen Firmengründung 2004 deutschlandweit und international bewandert in der komplexen Ausführungsplanung großer Bauprojekte. Mit Unterstützung von K+S entstanden somit beispielsweise imposante Großbrücken mit über 100 Meter Länge, Ingenieurbauwerke (wie etwa Brücken, Tunnel, Trog- oder Stützbauwerke), Hoch- und Industriebauten, Hallen oder Maschinenfundamente, auch so genannte „Monorail“-Fahrwege wie in Kuala Lumpur in Malaysia bzw. in Mumbai in Indien (spezielle Bahnstrecken auf nur einer Schiene), aufwändige Taktschiebebrücken (wie 2021 die Talbrücke Kürnach auf der A7, die anschließend querverschoben wurde), oder gar bergmännische Vortriebe im Tunnelbau, wie im Tunnel Rothenstein bei Jena.
Neckartalübergang ist ein spannender Auftrag
U.a. solche Referenzen haben zum Auftrag für die Verschub-Planung des neuen Neckartalübergangs durch die, am ÖPP-Projekt beteiligten Baufirmen geführt. „Die genannten Projekte waren alle komplexe Baumaßnahmen“, zeigt sich der Geschäftsführer Dipl.-Ing. Peter Seitz stolz, „es gibt nicht viele Ingenieurbüros, die aus einer Hand derartige Planungen leisten können.“ Gleichwohl war K+S bei der im Neubau befindlichen A6-Autobahnbrücke bei Heilbronn besonders herausgefordert. Hier sollte nämlich an gleicher Stelle ein Ersatzneubau für die nicht mehr sanierungsfähige alte Brücke, die dem heutigen Verkehrsaufkommen nicht gewachsen war, errichtet werden. Bereits die Maße des Talüberganges sind beeindruckend. Die Brücke besteht aus zwei Abschnitten mit getrennten Überbauten (je Fahrtrichtung), die sich jeweils in eine Vorland- und eine Neckarbrücke unterteilen. Im Westen führt die 822 Meter lange Vorlandbrücke über ein rund einen Kilometer breites, naturbelassenes Überflutungsgebiet des Neckar. Weitere 515 Meter lang ist der zweite, östliche Part, also jener, der als Strombrücke über den Neckar sowie eine unterkreuzende Bahnstrecke ragt.
Da der Verkehr während der Baumaßnahme aufrechterhalten werden musste, wurde der nördliche Überbau zunächst in temporärer Seitenlage neben dem alten Brückenbauwerk hergestellt und in Betrieb genommen. Anschließend konnte die alte Brücke zurückgebaut und an ihrer Stelle der südliche Überbau hergestellt werden. Nun muss der nördliche Überbau in seine endgültige Position verschoben werden – zunächst Mitte Januar 2022 die Vorlandbrücke. Der Querverschub einer derart langen und schweren Brücke aus Spannbeton ist „deutschlandweit erstmalig“, erklärt Seitz. Hier wie dort soll der Verkehr auf der A6 und der Bahnlinie unter der Brücke nicht unterbrochen werden.
Umfassende Beratungsleistung
Um den ersten Abschnitt des Brückenzuges, die Vorlandbrücke, in ihre Endlage zu positionieren, muss das dem Laien unvorstellbare Gewicht von 48.000 Tonnen Stahlbeton quer zur Fahrbahn, also seitwärts zum südlichen Überbau hin, verschoben werden. Vergleichbare Brücken, die bei Querverschüben bewegt worden sind, waren stets aus Stahlverbund konstruiert und so deutlich leichter.
Das Ingenieurbüro K+S war nicht nur an der Konzeption dieses außergewöhnlichen Querverschubs beteiligt, sondern auch an den Unterbau-Planungen beider Bauwerkteile: Das Nürnberger 20-Mitarbeiter-Büro konzipierte die Ausführungsplanung für das Bauwerk, die Baubehelfe (also die Pfeiler) für den Längs- und den Querschub sowie die Verbauten und den Taktkeller. K+S koordinierte des Weiteren die technischen Abläufe und beriet bei der Ausführungsplanung. Den Konzeptionen vorweg gingen „natürlich die gesamte Angebotsphase“, zählt Seitz auf, „die vorstatischen Untersuchungen sowie nicht zuletzt die komplexen Berechnungen der Massen und Mengen, die für solch eine riesige Baumaßnahme nötig sind.“
Brückenbau in zwei Abschnitten
Die beiden, 21 Meter breiten Überbauten des Neckartalüberganges bestehen in ihrer jeweiligen Hauptmasse aus unterschiedlichen Materialien: Während die leichtere und kürzere, 515 Meter lange Strombrücke aus „nur“ 22.000 Kubikmetern Stahlbeton sowie 14.000 Tonnen Konstruktionsstahl besteht (und korrosionsgeschützt werden muss), besteht die längere Vorlandbrücke in ihrer Masse vor allem aus preisgünstigeren 66.000 Kubikmetern Spannbeton.
Um diese Vorlandbrücke quer in den Streckenverlauf der BAB einschieben zu können, mussten vorab 154 Stahlbetonpfeiler errichtet werden, von denen 110 nach dem Verschub wieder abgebrochen werden. Diese 14 Meter hohen Stützen verteilen sich in einem Abstand von 38 Metern (auf einer Länge von 800 Metern). Über den Stützen wurde eine so genannte Verschubbahn, ein massiver Stahlbetonbalken, errichtet. Damit die Brücke während des Verschubs in ihrer Lage bleibt, wurde eine obenliegende Nut als Führung angelegt. In dieser Nut liegen die Kalottenlager auf Verschubschlitten auf. Auf und über diese, auf Pfeilern gestützte Verschubbahn hinweg wird die gesamte, 822 Meter lange und rund 17.000 Quadratmeter große Fahrbahntafel am Stück aufgelegt und dann aus ihrer Seitenlage heraus als Ganzes mit Hydraulikzügen sehr langsam mit Stahlseilen eingezogen –, wobei jede Stahllitze über 22 Meter Strecke rund 225 Tonnen Gewicht ziehen muss. Dabei bewegt sich die riesige Brücke über die Gleitlager bis in die Zentimeter genau berechnete Endposition (tatsächlich wird nur an jeder zweiten Querachse mit einer Stahltrosse gezogen, die übrigen Pfeiler und deren Lager bilden bloß stützende „Mitläufer“). Anschließend werden alle Hilfsstützen wieder zurückgebaut, so dass die fertige Brücke auf 44 runden Säulen aufliegt.
Spannende Idee: Die Lager werden nicht mehr ausgetauscht
Den wirklichen, eigenentwickelten Clou der Maßnahme benennt Olaf Bock, ebenfalls Dipl.-Ingenieur und Prokurist der K+S: „Wir hatten die besondere Idee, die Brücke nicht wie üblich zwei Mal anheben zu müssen: nämlich für den Ein- und Ausbau der Verschub- sowie für den Einbau der endgültigen Kalottenlager oben auf den Stützpfeilern“. Denn mutig schlug K+S vor, den Verschub über die bereits endgültig eingebauten Kalottenlager hinweg durchzuführen. Wenn die neue Brücke dann in ihre Endposition eingelagert ist, „liegt sie unverrückbar und sicher“, wie Bock sagt. Nur die gefetteten Verschubplatten, über die der Brückenüberbau auf einer Art Gleitbahn hinwegglitt, müssen am Schluss durch Stahlplatten ersetzt werden; dafür wird Brücke noch einmal kurz angehoben.