Wettbewerbsgewinn in Hamburg: HafenCity wachst weiter
Das Ergebnis des Realisierungswettbewerbs für die südliche Verlängerung der U4 nach Grasbrook wurde kürzlich bekannt gegeben. Gewonnen hat das Team von sbp, gmp und WTM.
Das Team schlaich bergermann partner (sbp), Architekten von Gerkan, Marg und Partner (gmp) und WTM Engineers hat den zweistufigen Wettbewerb für die Verlängerung der U-Bahnlinie U4 zum neuen Stadtteil Grasbrook in Hamburg gewonnen.
Der Sprung über die Elbe kommt: Erweiterung der U4 in Hamburg erschließt Grasbrook und Veddel
Das fast 1000 Meter lange Infrastrukturbauwerk besteht aus insgesamt drei Abschnitten: der U-Bahnbrücke über die Elbe, dem Viadukt auf der Landseite sowie der doppelgeschossigen Brücke über den Moldauhafen mit der über dem Wasser schwebenden Haltestelle Moldauhafen. Der Entwurf überzeugte durch seine gestalterische Einheit, die fließenden Übergänge zwischen den drei Streckenabschnitten und eine die ganze Strecke verbindende signifikante Linie.
Zu Beginn des Jahres 2022 lud die Hamburger Hochbahn AG acht vorqualifizierte Büros und Arbeitsgemeinschaften ein, sich an dem interdisziplinären Realisierungswettbewerb für die Verlängerung der U4 von den Elbbrücken zum Grasbrook zu beteiligen. Von den insgesamt acht Beiträgen internationaler Planungskonsortien entschied sich das Auswahlgremium nach der zweiten Bearbeitungsstufe mit nur noch drei Teilnehmern für den gemeinsamen Entwurf von sbp, gmp und WTM.
Die Verlängerung der Linie U4 über die Elbe bindet den in der Entwicklung befindlichen neuen Stadtteil Grasbrook am Südufer der Norderelbe an die Hamburger HafenCity an. Somit gelingt nun der lange geplante „Sprung über die Elbe“. Die neue Haltestelle Moldauhafen wird zunächst als Endhaltestelle der Linie U4 konzipiert, die Erweiterung nach Wilhelmsburg ist dabei schon in Sicht.
Um die Präsenz der historischen Freihafenelbbrücken im ersten Abschnitt möglichst wenig einzuschränken, wurde für die neue Elbbrücke ein leichter und transparenter Netzwerkbogen mit dynamisch flachen Stahlbögen und sich kreuzenden Carbonhängern gewählt – eine eigenständige und innovative Lösung auf dem Gebiet des Bogenbrückenbaus. Nach der Elbüberquerung gehen die Bögen schwungvoll über in die in Fahrtrichtung stehenden V-förmigen Stahlstützen des aufgeständerten Viaduktes. Die markanten V-Stützen führen in lockerem Rhythmus bis zum Moldauhafen. Dort verdichtet sich der Rhythmus der Stützen, wodurch sich eine Brückenkonstruktion als Fachwerk aus den zwei Verkehrsebenen entwickelt. Das Rahmentragwerk für das Haltestellendach entwickelt sich logisch aus diesem Motiv.
Die erste über dem Wasser schwebende Haltestelle Hamburgs wird geprägt durch eine semitransparente Photovoltaik-Glasfassade. Nachts sorgt ein warmtoniges und dank der Energiefassade autarkes Beleuchtungskonzept für die notwendige Orientierung.
Sven Plieninger, Board Member der sbp se, kommentiert den Gewinn als wichtigen Beitrag zur Quartiersentwicklung der Hamburger HafenCity:
„Wir freuen uns sehr, dass wir nun auch die Verlängerung der U4 als Fortsetzung der mit gmp bereits geplanten U-Bahn- und S-Bahn-Station Elbbrücken im bewährten Team gewonnen haben. Mit unserem Entwurf prägen wir nicht nur das Stadtbild der wachsenden HafenCity, sondern setzen mit dem Carbon-Netzwerkbogen und der Energiefassade auch ein wichtiges Zeichen in Sachen Innovationskraft und Nachhaltigkeit im neuen Stadtteil Grasbrook."
Nikolaus Goetze, Partner von gmp:
„Es ist eine großartige Herausforderung, mit der Fortsetzung der U4 den Sprung über die Elbe von den Elbbrücken bis zum Moldauhafen gemeinsam mit sbp und WTM aus einem Guss realisieren zu können. An dieser stadtgestalterisch neuralgischen Stelle der Hamburger Stadtsilhouette fühlen wir uns dabei Tradition und Innovation gleichermaßen verpflichtet. Die neue Haltestelle Moldauhafen wird – bildlich gesprochen - die erste gänzlich über dem Wasser schwebende Haltestelle Hamburgs werden. Als zweite oberirdisch gelegene Station der Linie U4 zeigt sie gleichzeitig klar erkennbar ihre Verwandtschaft mit dem U-Bahnhof Elbbrücken.“
Gerhard Zehetmaier, Partner von WTM:
„Der Ausbau eines zukunftsorientierten Mobilitätsangebots für Hamburg liegt uns sehr am Herzen. Wir freuen uns daher außerordentlich, auch am Sprung der U4 über die Elbe mitwirken zu dürfen. Gemeinsam mit sbp und gmp wollen wir für den Grasbrook einen Meilenstein für nachhaltige und nutzerfreundliche Infrastruktur in einer wachsenden Metropole schaffen: mit kreativen und innovativen Ideen – und mit viel Herzblut.“
U4-Elbbrücke
Auf dem ersten Streckenabschnitt des lnfrastrukturprojekts dominieren die historischen Freihafenelbbrücken von 1926 die aktuelle Umgebung. Um die Sichtbeziehungen so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, überquert eine Netzbogenkonstruktion mit sich kreuzenden Carbonhängern die Elbe in einer absolut minimierten Ausführung und Schlankheit.
Die Spannweiten und die Lage der Pfeiler sind an die dahinter liegende Freihafenelbbrücke angepasst- vergleichbar mit den Jahresringen eines Baumes reiht sich die neue U4 Elbbrücke an diese an, ohne die dahinter liegenden Ebenen zu verdecken. Das Ergebnis sind drei nahezu identische, optimierte Bögen mit eleganter, niedriger Bogenlinie und reduziertem Ressourcenverbrauch durch den Einsatz der Carbonhänger.
Ein Fuß- und Radweg begleitet die Elbbrücke, der sich an den westlichen Bogenträger anschließt und über Kragträger mit diesem verbunden ist. Er ist als wartungsarmer, geschweißter Hohlkasten vorgesehen. An den Übergängen nach Norden und Süden ist die Wegeführung schwungvoll ausgerundet, um den Verkehrsfluss für die Radfahrenden besonders flüssig zu gestalten.
Die Aussichtsplattformen über der Elbe, die an den Brückenpfeilern angelegt sind, laden hier zum Verweilen ein und bieten eine besondere Aufenthaltsqualität mit sensationellen Ausblicken auf die Stadt und die HafenCity.
Viadukt
Viadukte haben in der Geschichte der Hamburger Hochbahn eine lange Tradition und sind fester Bestandteil des Stadtbildes. Dieser historischen Bedeutung trägt auch das Viadukt auf dem Grasbrook Rechnung.
Die markanten V-förmigen Stützen unter den außenliegenden Hauptträgern bilden in Verbindung mit den stählernen Querträgern ein harmonisch gegliedertes und gleichwohl dynamisches Bauwerk. In Richtung der außen angeordneten Hauptträger verjüngen sich die Träger, wodurch eine luftige und leichte Konstruktion mit ausreichend Tageslicht unter dem Viadukt entsteht.
Die in Fahrtrichtung angeordneten V-Stützen prägen den öffentlichen Raum unter dem Viadukt, der als urbanes Aktivitätsband auf vielfältige Weise genutzt werden kann.
U-Bahnhaltestelle Moldauhafen
Vom Viadukt führt die U-Bahn auf die Brücke über den Moldauhafen. Der Entwurf sieht einen fließenden Übergang vor, indem die V-Stützen des Viaduktes in engerem Abstand angeordnet sind und zusammen mit den oberen und unteren Randträgern die Brückenträger (Fachwerk) über dem Hafenbecken bilden.
Die Haltestelle Moldauhafen wird die erste Hamburger Hochbahnhaltestelle sein, die komplett über einem Hafenbecken schwebt. Sie erlaubt somit ganz besondere Ausblicke in die Umgebung und wird umgekehrt gesehen zum Mittelpunkt des Stadtteils. Als zweite oberirdisch gelegene Haltestelle der Linie U4 nimmt sie mit der erzeugten Eleganz und Leichtigkeit in gewisser Weise Bezug auf die erste Haltestelle Elbbrücken - insbesondere in der Materialität von Stahl als Primärkonstruktion und der gläsernen Hülle.
Dennoch bildet sie einen eigenständigen Charakter aus: Eine semitransparente Photovoltaik-Glasfassade umhüllt die Stahlkonstruktion aus A-förmigen Rahmen. Die PV-Elemente sind dabei in einem Verlauf angeordnet - im Dachbereich ist die Dichte der PV-Elemente höher und an den vertikalen seitlichen Fassaden ist sie niedriger und damit transparent. Die Fassade ermöglicht somit horizontalen Ausblick und Einblick, bietet Blend- und Sonnenschutz. Am Tage dominiert natürliches Licht das Lichtspiel im Innern, bei Nacht wird über künstliches Licht ein interessantes Lichtspiel mit Fernwirkung erzeugt. Die ,,Energiefassade" steht stellvertretend für den Auftakt zum lnnovationsstadtteil Grasbrook, der mit nachhaltigen Mobilitäts- und Energiekonzepten die Zukunft der Stadt gestalten möchte.