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Tunnelbauwerke mit Rund- und Universalschalung

Die im Rahmen des von der EU zu etwa 10 % mitfinanzierten Ausbaus des Eisenbahnnetzes (Großprojekt LGV Est-européennes) errichteten Neubauten für die 300 km der Lignes Grande Vitesse (Hochgeschwindigkeitsfahrbahnen) verbinden Paris mit Ostfrankreich und deutschen Städten; mittlerweile pendeln TGV und ICE z. B. zwischen Paris und Stuttgart.

Die neue Hochgeschwindigkeitstrasse LGV durchquert, von Dijon kommend, die sehr ländliche Haute Saône (Département Nr. 70, Franche Comté, südlich von Elsass-Lothringen). Die durch den Hochgeschwindigkeitszug TGV vorgegebenen maximalen Krümmungen und Steigungen sowie die lokalen geologischen und geografischen Verhältnisse machen den Streckenverlauf und die damit verbundenen Massenausgleiche zwischen Geländeeinschnitten und Dammbauwerken zu einem planerischen Gesamtkunstwerk. Auf dem 35 km langen Baulos von Dijon nach Mulhouse entstanden dabei zahlreiche interessante, weil aufwändige Streckenbauwerke.

Durchlass

Eines davon ist der tunnelförmige Durchlass bei Cognières. Die Bodenfläche des Tunnels liegt exakt auf der gleichen Höhe wie die Geländeoberfläche. Die flache Baugrube, die in den weißen Jura eingetieft war, wurde zunächst mit einer Sauberkeitsschicht aufgefüllt, danach wurde die Bodenplatte errichtet. Die gesamte Basis ist ein kompliziertes und verwinkeltes Gebilde, das wegen der in den Tunnel vorspringenden Vouten ein wenig wie der Unterteil dreier hintereinander gelegter horizontal aufgeschnittener, sechseckiger Röhren aussieht. Die Außenwände, die wie ein stehendes, nach außen weisendes "L" geformt sind, haben zudem Betonschutzblenden zur Eingangsfront hin.

Unmögliches wird möglich

Das bau- und schalungstechnische Ideal, dem man auf der Baustelle immer nachkommen möchte – sofern sich Aufwand und Kosten rentieren – ist, solche Formen monolithisch in einem Arbeitsgang zu fertigen, anstatt einer vielschichtigen Flickerei. Die bauausführende GTM wählte für diese Tunnelbaustelle den Schalungshersteller PASCHAL und die von diesem entwickelte Schalungslösung. Für komplizierte, kleinstufige Schalungsaufgaben wird dabei die Raster-Universalschalung eingesetzt, die bis auf den Zentimeter exakt schalen kann. Gurtungen, Stützen und Betonblöcke sicherten die einhäuptige Schalung gegen das Kippen. Nur gegen den auftreibenden Beton in den L-Wänden wurde eine zimmermannstechnische Lösung mit Holzbohlen angewandt. Da jeder einzelne Abschnitt spiegelbildlich aufgebaut ist, wurde die kostengünstige Variante gewählt und jeder in zwei Betoniertakte geteilt. Sobald ein Takt ausgehärtet war, wurde die Schalung mit einem nur für diese Vorgänge herangefahrenen Autokran fix und in großen Einheiten auf den nächsten versetzt.

Der röhrenförmige Deckel wurde mit der radienverstellbaren Trapezträger-Rundschalung (TTR) erstellt, die liegend als Tunnelschalung eingesetzt wurde. Die verwendeten Betonsorten waren C 36/46,XC2-XD3, XF1 S3 und wurden per Betonpumpe eingefüllt.

Bachdurchlass

Klein wirkt diese Baustelle gegen jene in der Nachbarschaft: Ein 90,0 m langer Durchlass mit schwachem Gefälle für einen Bachlauf. Gegründet auf einer 94,51 m langen und 6,60 m breiten Bodenplatte, liegt darüber ein Tunnel mit 2,45 m Durchmesser und 45 cm (!) dicken Ortbetonwänden. An der Basis verbreitern sich die Wände mittels einerVoute nach innen, was ihnen zusätzliche Wuchtigkeit verleiht. Für herkömmliche Schalungsplanungen ist diese Architektur eine Unmöglichkeit, da sich die Schalung so verkanten würde, dass sie nach dem Aushärten des Betons nur durch zerstörerische Gewalt zu entfernen wäre. Auch hier kam die TTR zum Einsatz. Die Schalung kam zentimetergenau vorgerundet auf die Baustelle und musste nur noch aufgestellt werden. Als weltweit einziges Produkt dieser Stabilitätsgüte mit 18 mm Schalhaut aus finnischem Birkensperrholz kann sie problemlos und immer wieder, und ohne sich zu verziehen oder Wellen zu bilden, auf einen Radius von 1,00 m heruntergekrümmt werden. Sie lagerte auf einem Gestell aus GASSTrägern (= Großes Aluminium-Stützensystem), die ihre Vorteile des schnellen Auf- und Abbaus aufgrund ihrer guten Handhabbarkeit gut ausspielen konnten. Ihre Tragkraft von bis zu 140 kN pro Stiel wurde aber bei weitem nicht gebraucht, da ein Schaltakt mit 11,84 m Länge "nur" etwa 3 t wog. Die "Seiten" der Rundschalung, die die Voutenschalung ausmachten, konnten durch ein Scharnier über die gesamte Länge nach innen geklappt werden. Durch systemintegrierte Spindeln konnte die auf der GASS lagernde Schalung einfach, bequem und zentimetergenau abgesenkt werden. Hierdurch löste sie sich vom Beton. Durch systemintegrierte Rollen, die durch Schienen geführt wurden,wurde der gesamte Takt an die gewünschte Position gefahren. Anheben, Seiten ausklappen, sichern, fertig! Insgesamt wurde diese Prozedur acht Mal vollzogen.

Betonqualität

Die Lebensdauer eines Betonbauwerks hängt auch von der Verarbeitung seiner Armierung ab. Dies gilt umso mehr bei gekrümmten Wänden, da es hier sehr schnell passieren kann, dass bei mangelhafter Ausführung die Betonbedeckung nur noch wenige Millimeter ausmacht. Aufwändig und kostenintensiv zu behebende Langzeitschäden können die Folge sein. In Absprache mit dem Schalungslieferanten wurde ein Konzept mittels einer fahrbaren Sonderschalung konzipiert, entwickelt und erfolgreich eingesetzt, das dem oben beschriebenen Verfahren sehr ähnlich ist. Auf diese Sonderschalung wurde dann die Armierung gelegt und an deren Krümmung angepasst. Als die TTR heranrückte, wurde die Sonderschalung weitergefahren, und man konnte schnell betonieren. Dem Bauherrn und der Bauaufsicht gegenüberwurde hiermit die allerhöchste Qualität erreicht.

Unterführung

Diese Baustelle wiederum wirkte bescheiden gegen die benachbarte, eine Straßenunterführung. Der 72,00 m lange Tunnel hat einen Radius von 4,85 m, 40 cm dicke Wände und dynamisch angeschrägte Portale. Er liegt auf einer 120 m langen und 40 m breiten Bodenplatte. Auch hierwurde die TTR für die Rundungen eingesetzt und dasselbe Verfahren wie oben verwendet. Der längste Takt war 12,00 m lang und bestand aus 4 Sätzen 3,00 m hoher Schalungssegmente, die liegend auf fahrbaren GASS-Türmen befestigt waren. Sondereinlagen formten attraktive Muster in das perfekte Betonbild.

Bautafel:

Objekt: Lignes Grande Vitesse – LGV Est européenne (europäische Hochgeschwindigkeitsfahrbahn Richtung Osten)
Bauherr: Réseau Ferré de France (Staatliches Schienennetz Frankreich)
Hauptauftragnehmer und Bauleitung: SNCF-EEG Simecsol, ISL (Ingerop-Thalès-Luxconsult), Tractebel Development Engineering – Coyne & Bellier, Scetauroute und Setec
Bauausführung: GTM, F – Les Magny, ein Unternehmen der Vinci-Gruppe
Schalung und Schalungsplanung: PASCHAL-Werk G. Maier GmbH, Steinach
Erdbewegungen:
  • 49 Mio. m³ Aushebungen
  • 34 Mio. m³ Auffüllungen
  • 21 Mio. m³ Ablagen
Gesamtzahl Verkehrsbauten: 327; davon
  • 221 Straßenüberquerungen
  • 20 Eisenbahnüberquerungen
  • 57 Wasserlaufüberquerungen
  • 24 Passagen für Tiere
  • 5 unterirdische Abschnitte mit insgesamt 900 m

Referenzen

Paris, Ile-de-France, Frankreich, Europa - Louvigny, Moselle (57), Grand-Est, Frankreich (2007)

  • Über diese
    Datenseite
  • Product-ID
    6187
  • Veröffentlicht am:
    25.03.2013
  • Geändert am:
    11.12.2014