Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke trotzt Windströmungen mit Schwingungsdämpfern
Von Hongkong aus entsteht derzeit die 35 km lange Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke über das Perlflussdelta. Die Stahldecks sind laminaren Strömungen durch Wind ausgesetzt, die die Eigenfrequenz der Brücke anregen und so zu gefährlichen Schwingungen führen können. MAURER entwickelte zur Bedämpfung ein dauerhaft ermüdungs- und verschleißfreies Tuned Mass Dampers-System, das vor Ort auf die tatsächlichen Frequenzen angepasst wird. Besondere Herausforderungen waren die niedrigen Frequenzen bis 0,33 Hz, die reibungsfreie vertikale Führung großer Massen bis zu 6.250 kg und das beengte Raumangebot in den Brückendecks.
Die Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke (HZMB) wird die Straßenverbindung mit je drei Spuren in jede Richtung zwischen Hongkong, Zhuhai und Macau werden. 2009 war die Grundsteinlegung, die Eröffnung ist für 2017 geplant.
Laminare Strömungen in exponierter Lage
Die Brücke muss wegen ihrer exponierten Lage bedämpft werden. Über das Perlflussdelta streichen regelmäßig mehr oder weniger starke laminare Windströmungen. Durch pulsierenden Strömungsabriss am Brückendeck kann es zu ernsthaften vertikalen Vibrationen der Fahrbahn kommen. Da einige Stahlbrücken über wenig Eigendämpfung verfügen, müssen die betroffenen Brückenabschnitte bedämpft werden.
Drei Herausforderungen
Die Planer entschieden sich für eine Ausstattung mit passiven Schwingungsdämpfern (Tuned Mass Dampers, TMD). Sie müssen drei Anforderungen erfüllen:
- vertikale Schwingungen verringern,
- das Bauwerk insgesamt dämpfen bzw. beruhigen und
- sich in die limitierte Geometrie des Stahlbrückendecks einfügen.
Eine spezielle Herausforderung war dabei, TMD-Systeme zu entwickeln, die einerseits auf die niedrige Frequenz von 0,33 Hz reagieren und andererseits die TMD-Masse um bis zu +/- 350 mm schwingen lassen. Hier kam MAURER seine Erfahrung vom Wolgograd-Projekt zugute. Die als "tanzende Brücke" bekannte Stahlkonstruktion musste nach Inbetriebnahme unter extrem beengten Raumverhältnissen nachträglich bedämpft werden.
In der Summe beruhigen die Dämpfer das Brückendeck, was Ermüdungserscheinungen vorbeugt und die Lebensdauer der Brücke erhöht. Mit Blick auf die Gesamtbaukosten sind Dämpfer ökonomischer als bauliche Aussteifungen.
Entwicklung auf Maß
MAURER entwickelte für diverse Brückenabschnitte des "Deep Water Viaduct" und der "Jianghai Bridge" insgesamt 96 TMD, passgenau für die jeweiligen Abschnitte. Die Schwingungen reichen von 0,33 bis 0,806 Hz und die Massen von 3.000 bis 6.250 kg, die mit Amplituden von 280 bis 350 mm schwingen.
Alle TMD mussten so ausgelegt werden, dass sie in einen Raum von 1,5 x 2 x 3,5 m passten. Zudem mussten einige in Teilen konfektioniert werden, damit sie durch die Wartungsöffnungen der bereits fertiggestellten Brückendecks transportiert und innen montiert werden konnten.
Kernstück Jianghai-Brücke
Ein Kernstück ist die Jianghai-Brücke, eine 700 m lange Schrägseilbrücke mit zwei Hauptspannweiten von 258 m. Sie barg die größten Herausforderungen, weil dort die größten TMD (6.250 kg) mit der niedrigsten Schwingung (0,332 Hz), also dem weichsten und damit größten Federnsystem, unterzubringen waren. Zudem müssen zwei Modi bedämpft werden, weshalb hier je zwei TMD für jede Schwingform dort platziert werden müssen, wo deren Amplitude am größten ist.
Die Abschnitte des Deep Water Viaduct sind 660, 550 oder 440 m lang und mittels Auflagern in jeweils 110 m lange Sektionen unterteilt. Die Dämpfer wurden jeweils in der Mitte dieser Sektionen eingebaut, am Ort der maximalen Schwingungsamplitude.
Auslegung der TMD-Komponenten
Grundsätzlich bestehen die TMD aus Masse, Federn, Führungssystem, Rotationsdämpfereinheit und Basisplatte. Eine Besonderheit ist, dass die Massen nicht an Zugfedern hängen, sondern auf mehreren Druckfedern stehen. Dieses Konstruktionsprinzip reduziert deutlich die Höhe des Masse-Feder-Pakets, sodass jetzt auch die größten TMD-Systeme an der Jianghai-Brücke in den Querschnitt der Brücke passen. Hängende Federn hätten zudem den Nachteil, dass sie beim Schwingen Wechselspannungen ausgesetzt sind, was Ermüdungseffekte begünstigt und die Lebensdauer verkürzt.
Ermüdungsfreies Federnsystem
Die Spiralstahlfedern bestehen aus 54SiCr6 (EN10089). Das Material gilt als extrem elastisch und ermüdungsresistent und wurde mit einem speziellen Korrosionsschutzsystem ausgestattet. Die Federn wurden intensiv getestet. Die Federkräfte zeigten nach dem Test nur extrem kleine Abweichungen, d. h., die Federparameter blieben unverändert. Deshalb können die Federn als praktisch ermüdungsfrei gelten.
Um Dreheffekte in der Auf- und Abbewegung der Masse zu verhindern, hat die eine Hälfte der Federn eine Links-, die andere eine Rechtswindung.
Vertikales Masse-Führungssystem
Für eine perfekt-vertikale TMD-Masse-Bewegung wurde ein reibungsfreies Führungssystem für alle Schwingungsdämpfer entwickelt. Die niedrigste Frequenz der Jianghai-Brücke (0,33 Hz) erforderte für die ungespannten TMD-Federn eine Ausgangshöhe von etwa 4 m. Unter dem Eigengewicht der TMD-Masse werden die Federn bis auf 960 mm zusammengedrückt – eine enorme Herausforderung. Deshalb wurde jede Feder in vier Einheiten geteilt, die übereinander stehen. Zwischen die Einheiten wurden Querplatten eingefügt, die seitlich mit PE-Rollen mit hochpräzisen Kugellagern an vertikalen Schienen auf rostfreiem Stahl entlanggeführt werden. Das minimiert die Reibung und stabilisiert die Federn gegen Knicken.
Feinabstimmung der TMD
Trotz numerisch hochgenauer dynamischer Schwingungsberechnungen können die tatsächlichen Brückendeckschwingungen von den Berechnungen abweichen. Daher kann die TMD-Frequenz vor Ort auf zwei Wegen angepasst werden:
- zusätzliche Tuning-Federn erlauben eine Nachjustierung um +/- 12 %.
- Die Dämpfermasse kann um bis zu 6 % vergrößert oder verkleinert werden, was ca. +/- 3 % Frequenzanpassung bedeutet.
Rotationsdämpfereinheit
Die Dämpfung bzw. Amplitudenreduzierung der TMD-Masse auf max. +/- 350 mm erfolgt über spezielle Rotationsdämpfer. Sie bestehen hauptsächlich aus einer Scheibe, die sich in Hydrauliköl dreht. Die Dämpfungseffekte entstehen infolge der Scherkräfte zwischen rotierender Scheibe, Öl und Gehäuse. Die Rotation wird durch ein Zahnrad erzeugt, das über eine vertikale Zahnstange mit der TMD-Masse verbunden ist. Die Dämpfereinheiten wurden für Temperaturen von -10, 20 und 60 °C getestet, wobei es keinen nennenswerten Kennwertschwankungen gab.
Tests der kompletten Schwingungsdämpfer
Ein originaler Schwingungsdämpfer, wie dieser auch später am Deep Water Viaduct zum Einsatz kommt, wurde im Testlabor in Wuhan erfolgreich getestet. Der TMD zeigte exakt das geforderte Frequenz- (+/-1 %) und Dämpfungsverhalten (+/-10 %).
Die Stahlplatten für die Massen der TMD wurden aus Kosten- und Logistikgründen in China hergestellt, MAURER lieferte das Design, die Bodenplatte, das Führungssystem, die Federpakete und die Dämpfer. Im Mai 2016 waren fast alle TMD eingebaut. Das Tuning soll im Herbst 2016 erfolgen.
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7391 - Veröffentlicht am:
07.07.2016 - Geändert am:
17.11.2021