Geogitter auch für stärkste Belastungen
Während des "Kalten Krieges" bezog die ehemalige Sowjetunion rund 231.000 t Uran für die Atomindustrie aus Lagerstätten im Raum Sachsen und Thüringen. Die 1954 gegründete SDAG Wismut (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft) betrieb den Uranerzabbau bis 1990. Danach wurde sie in das Bundesunternehmen Wismut GmbH umgewandelt, in dessen Verantwortung bis heute die Stilllegung und Sanierung der Bergbauhinterlassenschaften liegt.
Während der Bergbautätigkeit bis 1990 wurde das gewonnene Uranerz auf verschiedenste Weise weiterverarbeitet. Sogenannte "Warenerze" mit einem Urananteil größer 1 % wurden direkt in die ehemalige Sowjetunion geliefert. Die "Fabrikerze" hingegen wurden mechanisch und überwiegend auch chemisch konzentriert. Das bedeutet, dass die Fabrikerze in Aufbereitungsanlagen feingemahlen wurden und, je nach Beschaffenheit des Erzes, durch Zugabe von Säuren oder Basen das Uranoxid ("Yellow cake") herausgelöst wurde. Übrig blieben schlammige Rückstände, die sogenannten "Tailings". Diese wurden in industrielle Absetzanlagen (IAA) eingespült. Die Gefahr, die von diesen Rückständen für die dicht an den Standorten angesiedelte Bevölkerung ausging, lag zum einen in dem radioaktiven Staub, der an den trockenliegenden Stränden der Schlammteiche abgeweht wurde, zum anderen im drohenden Eintrag von radioaktiven und chemischen Schadstoffen in das Grundwasser und die umliegenden Vorfluter.
Geogitter auch für stärkste Belastungen
Das Sanierungskonzept der Wismut GmbH umfasst unter anderem die Sanierung von vier industriellen Absetzanlagen: IAA Trünzig, IAA Helmsdorf und Dänkritz I sowie die IAA Culmitzsch. Es sieht vor, die bis zu 70 m tiefen Schlammteiche nach technischer Teilentwässerung in-situ zu verwahren. Dazu muss im ersten Schritt das Freiwasser entfernt werden. Dies ist ein langwieriger Prozess, auf den die Witterung einen entscheidenden Einfluss hat. Durch langanhaltende starke Niederschläge beispielsweise wird die maximale Kapazität der Wasseraufbereitungsanlagen überschritten und der Wasserstand in den Becken steigt wieder an. Nach Entfernung des Freiwassers wird mittels Drehflügelsondierung die Scherfestigkeit in den Tailings ermittelt. Um die bis zu 2 m mächtige Zwischenabdeckung lagenweise aufbringen zu können, muss zuerst Vliesstoff und darüber Tensar-Geogitter SS 40 ausgelegt werden. Die Geogitter werden mit einer Überlappung angrenzender Bahnen von 0,5 m verlegt. Zur Fixierung werden die jeweils nebeneinander liegenden Geogitterbahnen formschlüssig mittels Kunststoffstreifen verbunden.
Das Einbringen von 5 m tiefen Vertikaldränagen ("Draindochte") beschleunigt die Konsolidierung. Besonders schwierig gestaltet sich die Abdeckung der zentralen Beckenbereiche, da hier die Schlämme in besonders feinkörniger Zusammen¬setzung anstehen. Abschließend wird über einer Konturierungsschicht eine mehrlagige Endabdeckung aus Haldenmaterial aufgebracht. Für die Wahl der geeigneten Geogitter zur Umsetzung dieser anspruchsvollen Baumaßnahme wurden Probefelder angelegt und unterschiedliche Geogittertypen getestet. Die Wahl fiel auf das gestreckte Tensar SS 40-Geogitter aus Polypropylen. Dieses besitzt eine offene und knotenfeste Gitterstruktur. Durch die Gitterstruktur kommt es zu einer Verzahnung mit dem Schüttmaterial und in Verbindung mit der Zugfestigkeit des Geogitters zu einer günstigen Lastverteilung. Der Verzahnungsmechanismus zwischen der Gitterstruktur und dem Schüttmaterial ermöglicht es, ein sowohl horizontales als auch vertikales Ausweichen des Schüttmaterials zu verhindern.
Die Kreuzungspunkte des Geogitters sind aufgrund des Herstellungsverfahrens (Extrudieren, Stanzen und Strecken) monolithisch, d.h. aus einem Stück bestehend. Um die einzelnen Geogitterbahnen untereinander kraftschlüssig mittels Kunststoffstreifen verbinden zu können, ist die Knotenfestigkeit des Geogitters von entscheidender Wichtigkeit. Geogitter ohne feste Knoten würden unter Belastung an den Kreuzungspunkten aufreißen. Ein weiterer entscheidender Vorteil, der sich durch die hohe Robustheit der Geogitter des Herstellers feststellen ließ, liegt in der sehr geringen Einbaubeschädigung. Auch stärksten Belastungen und Beanspruchungen, denen es beim Einbau ausgesetzt war, hielt das knotenfeste Geogitter stand, ohne zu versagen.
Neue ökologische Lebensräume
Auf den Absetzanlagen Helmsdorf, Dänkritz I und Trünzig ist die Zwischenabdeckung beendet. Nach der Zwischenabdeckung folgen die Konturierung und die abschließende Endabdeckung der IAA. Aktuell ist die Verwahrung und Rekultivierung der IAA Trünzig und IAA Dänkritz I (ehemals 20 ha Freiwasserfläche) nahezu fertiggestellt. Der Erdbau für die IAA Helmsdorf (ehemals 200 ha Freiwasserfläche) wird voraussichtlich bis 2017 erfolgen. Bei der IAA Culmitzsch, die Tailing-Tiefen bis 70 m aufweist, stehen derzeit circa 10 ha von den ursprünglich 230 ha noch unter Wasser, die noch trockengelegt und saniert werden müssen. Der Erdbau für die IAA Culmitzsch wird voraussichtlich 2022 fertiggestellt.
Bei der Sanierung wird darauf geachtet, dass in Folge der Eingriffe in die ursprüngliche Landschaft mittels Ersatzmaßnahmen (z.B. Anpflanzungen, Streuobstwiesen, Gewässer für bestimmte Tierarten) neue ökologische Lebensräume geschaffen werden. Für die Umsetzung sämtlicher Sanierungsmaßnahmen sind Genehmigungen aus den Bereichen Strahlenschutz, Bergrecht und Wasserrecht erforderlich, was in die Zeitabläufe einkalkuliert werden muss.
Zukünftig wird über die Grenzen der Sanierungs- und Rekultivierungsarbeiten hinaus ein Monitoring-Programm erforderlich sein, das unter anderem langfristig die Wasserqualität überwacht und die Nachsorge und Pflege der sanierten und zum Teil aufgeforsteten Flächen beinhaltet.
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6304 - Veröffentlicht am:
31.05.2013 - Geändert am:
08.12.2014