Von oben nach unten bauen: erst die Decke, dann der Aushub
Eine Baustelle mit großen technischen Herausforderungen ist der Bau einer neuen Tiefgarage in Düsseldorf. Das Gebäude wird in Deckelbauweise erstellt, was an Planer und Ausführende hohe Anforderungen stellt. Die bauausführende Zechbau-Niederlassung Essen und Schalungslieferant Harsco Infrastructure wickeln das Projekt als eng zusammenarbeitendes Team ab. Die Harsco-Schalungsplaner haben für diesen Einsatz "unter Tage" sogar ein neues Produkt entwickelt: einen in der Höhe anpassbaren, zerleg- und daher handversetzbaren Stützbock zur Herstellung einhäuptiger Wände.
Innerstädtische Tiefbaustellen benötigen meist viel Platz, stören den Verkehr und machen Lärm. Abhilfe schafft die "Düsseldorfer Deckelbauweise", ein spezielles Bauverfahren zur Herstellung von Tunneln und Baugruben, das seine Premiere in den 1970er Jahren beim Bau der Düsseldorfer U-Bahn feierte. Dabei werden von der Geländeoberkante aus Schlitz- oder Bohrpfahlwände und eventuell auch Zwischenstützen erstellt, auf die dann ein Deckel betoniert wird. Danach erfolgt der Bodenaushub unter dem Deckel.
Gute Gründe für Düsseldorfer Deckelbauweise
Obwohl planerisch höchst anspruchsvoll, gibt es gute Gründe, dieses Verfahren zur Aussteifung tiefer Baugruben anzuwenden:
- Die Infrastruktur oberhalb des Deckels wird durch die Baumaßnahmen deutlich weniger eingeschränkt;
- die Deckel dienen als Steifen für die Verbauwände. Horizontale Erdlasten werden in den Deckel abgeleitet und brauchen nicht temporär rückverankert werden;
- bei biegesteifem Anschluss des Deckels an die Schlitz- bzw. Bohrpfahlwand kann deren Einbindelänge reduziert werden;
- reduzierter Baulärm.
Jüngstes Beispiel dieser speziellen Deckelbauweise ist der Bau einer Tiefgarage mit 400 Stellplätzen am Barbarossaplatz im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel. 16 m tief reichen die neun wechselseitigen Stockwerke in den Boden, die das bauausführende Unternehmen Zechbau (Niederlassung Essen) im Herbst dieses Jahres nach 20 Monaten Bauzeit fertig stellen wird. Wichtige Forderungen des Bauherrn, der stadteigenen IDR AG: Die innerstädtische Baustelle soll möglichst wenig Verkehrsbehinderung verursachen, eine Rückverankerung in den Boden der benachbarten Grundstücke darf nicht erfolgen – beides entscheidende Argumente für die Deckelbauweise.
Zwei Hälften
Bereits in der Submissionsphase haben die Projektentwickler von Harsco Infrastructure das Projekt mit ingenieurtechnischem Know-how unterstützt und das Schalungskonzept für die Deckelbauweise ausgearbeitet. Die Idee: Zunächst wird die eine Hälfte der Tiefgarage von oben nach unten in Deckelbauweise erstellt. Anschließend baut man von unten nach oben die zweite Hälfte konventionell.
Als erste Maßnahme wurden rund um den rechteckigen Baugrubenumriss (ca. 78 m lang und 30 m breit) Schlitzwände erstellt. Sie reichen knapp 20 m in den Boden, damit sie wegen des anstehenden Grundwassers in den natürlichen Grundwasserstauer (tertiäre Feinsande) eingebunden sind. Der vorhandene Baugrund ist sehr durchlässig, eine Grundwasserabsenkung lässt sich deshalb nicht wirtschaftlich realisieren. Da die maximale Aushubebene der Baugrube (16,20 m unterhalb Gelände-Oberkante) permanent unterhalb des Grundwasserspiegels liegt, muss die Baugrube wasserdicht abgeschlossen werden. Während des Aushubs der Baugrube wird diese permanent gelenzt; eine Restwasserhaltung wird über die gesamte Bauzeit betrieben.
Wiederholter Ablauf
Nachdem die Baugrube durch die Schlitzwände sozusagen einen Rahmen erhalten hatte, konnte die Herstellung der Tiefgarage beginnen. Gebaut werden insgesamt neun wechselseitige Stockwerke, von denen die fünf ungeraden (südlicher Bereich der Tiefgarage) jeweils in Deckelbauweise erstellt wurden. Der Ablauf bei der Deckelherstellung wiederholte sich: Zunächst wurde auf der profilierten Aushubsohle eine rund 5 cm starke, unbewehrte Sauberkeitsschicht betoniert. Hierauf wurden Jochträger ausgelegt und exakt ausgerichtet. Auf diese Trägerlage wurden Belagträger und die Schalhaut verlegt. Anschließend konnte der Deckel betoniert werden. Sobald der Beton ausgehärtet war, konnte der Aushub unterhalb des Deckels bis zum Niveau des nächsten Deckels erfolgen. Zugang bot in dieser Bauphase jener Bereich der Baugrube zwischen nördlicher Schlitzwand (an der Luegallee) und Deckel, der erst später bebaut wurde. In diesem Bereich haben horizontal verlegte Rohrstützen den Deckel und die Schlitzwand ausgesteift. Lediglich der oberste Deckel ist auch im nördlichen Bereich seitlich als Teildeckel ausgeführt und dient einerseits als Kopfsteife der Stirnschlitzwände, andererseits als Baustelleneinrichtungs- und Verkehrsfläche. Der sichere Zugang zur Baugrube erfolgt über einen Modex-Treppenturm.
Wiedergewinnbare Aussparungskästen und höhenverstellbare Stützböcke
Die Herausforderungen an die Schalungsplaner waren hoch. Neben den ohnehin komplexen Planungsaufgaben wegen der Deckelbauweise mussten diverse Sonderschalungen und Sonderlösungen für die Abstützung der Wandschalungen entwickelt werden. Für den Randbereich der Deckelschalung, in dem später die darunterliegende Wand angeschlossen wird, hat Harsco Infrastructure beispielsweise spezielle Aussparungskästen entwickelt, die beim Ausbaggern geborgen wurden und sich bei der Schalung des nächsten Deckels wieder verwenden ließen. Die Kästen erfüllten gleich mehrere Aufgaben: Sie ermöglichten das Einklemmen und Fixieren des für die Wasserdichtigkeit erforderlichen Fugenbandes und schafften eine Auflagerfläche für die Anschlussbewehrung Decke-Wand. Um außerdem das nachträgliche Einbringen des Wandbetons zu ermöglichen, wurden Einfüll- und Entlüftungsrohre vorgesehen.
Eine weitere knifflige Schalungsaufgabe stellte die Herstellung der einhäuptigen Außenwände unterhalb der Decke dar. Auch hierfür haben sich die Schalungsplaner etwas einfallen lassen: Sie entwickelten einen von Hand versetzbaren Sonderstützbock aus Stahlteilen, der sich flexibel auf ein Höhenraster zwischen 1,20 m und 2,40 m einstellen lässt. Innerhalb der Geschosse standen zwar Hubwagen bereit, aber größtenteils wurde das Material von Hand bewegt. Deshalb kam als Wandschalung auch die handbedienbare Rasto/Takko-Schalung zum Einsatz. Außerdem vor Ort: das bewährte Seitenschutzsystem Protecto, das an allen offenen Deckenrändern als Absturzsicherung genutzt wird.
Enormer planerischer Aufwand zahlt sich aus
Damit die Baustelle trotz der besonders hohen technischen Herausforderungen problemlos läuft, ist ein hoher Planungsaufwand erforderlich. Der wird allerdings durch einen bislang perfekten Bauablauf belohnt. Zechbau-Bauleiter Dipl.-Ing. Peter Wigger: "Der enorme planerische Aufwand, den Harsco betreibt, zahlt sich wirklich aus. Wir haben es hier ja mit einem außergewöhnlichen Projekt zu tun, dennoch läuft alles völlig reibungslos. Ob Sonderschalung oder Standard-Material, alle Lösungen sind maßgeschneidert auf die Bedingungen unserer Baustelle abgestimmt." Harsco Infrastructure bereitet alle Schalungslösungen durch die Ausarbeitung von Takt- und Ansichtsplänen vor. Selbst die An- und Ablieferung des benötigten Schalmaterials auf die innerstädtische Großbaustelle wird dezidiert geplant und just-in-time ausgeführt.
Mittlerweile ist Routine in den komplexen Bauablauf gekommen. Die kritischen Phasen sind überstanden. Seit zu Jahresbeginn mit der Herstellung von Geschoss 9 das Niveau der künftigen Bodenplatte erreicht worden ist, arbeiten sich die Rohbauer mit der zweiten Tiefgaragenhälfte wieder von unten nach oben vor. Deren Decken werden ganz konventionell mit der Holzträgerschalung Topflex geschalt.