Test von mobilen Hochwasserschutzkonstruktionen im Forschungsprojekt SMARTeST
Im Rahmen des von der Europäischen Kommission geförderten internationalen Forschungsvorhabens SMARTeST werden Technologien, Systeme und Werkzeuge zum Hochwasserschutz entwickelt und getestet, mit denen der Schutz gegen hohe Wasserstände erhöht und das Schadensrisiko bei Überflutung vermindert werden können. Einer der zehn am Projekt beteiligten Partner aus Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, Griechenland, Zypern und Deutschland ist das Institut für Wasserbau der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH).
An der TUHH werden im Projekt SMARTeST in erster Linie zwei Ziele verfolgt: Entwicklung von numerischen Modellen zur Analyse von Stadtstrukturen im Hinblick auf ihr Risikopotenzial bei Hochwasserereignissen und Test und Weiterentwicklung von mobilen Hochwasserschutzsystemen. Auf Letzteres wird im Folgenden näher eingegangen.
Der Test von mobilen Hochwasserschutzeinrichtungen erfolgt in Kooperation mit Firmen, die Eigenentwicklungen im Versuchsbecken der TUHH in Hamburg-Wilhelmsburg aufbauen, belasten und in Zusammenarbeit mit den beteiligten Wissenschaftlern weiterentwickeln.
Versuchseinrichtung
Die Versuchseinrichtung besteht aus einem Becken aus wasserundurchlässigem Beton der Maße 20 m x 15 m mit einem ebenen, glatten Betonuntergrund als Beckenboden (Bild 1). Das Versuchsbecken ist allseitig durch 2 m hohe Betonwände begrenzt, wobei eine 3 m breite, mit Aluminium-Dammbalken verschließbare Öffnung an einer Beckenseite zum Einbringen der zu testenden Konstruktionen dient. In der Versuchseinrichtung sind zwei ebenfalls mit Dammbalken abgetrennte Wasserbecken angeordnet. Für dynamische Belastungstests kann einer der Dammbalkenverschlüsse geöffnet werden, so dass ein ausreichender Beschleunigungsweg für die Simulation von Treibgutstößen zur Verfügung steht. Zur Füllung und Entleerung des Testbeckens sowie für Anströmversuche werden Tauchpumpen eingesetzt.
Die folgenden Tests können im Versuchsbecken der TUHH durchgeführt werden:
- Prüfung der als Auf- und Abbauanleitung vorgelegten Dokumente
- Dokumentation der zum Auf- und Abbau benötigten Personenanzahl und Zeit
- Prüfung der Einfachheit des Auf- und Abbaus
- Dokumentation des Materialverschleißes bei mehrfachem Auf- und Abbau
Auf- und Abbau des Systems
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Hydrostatische Tests
- Messung der Sickerrate bei verschiedenen Einstauhöhen
- Messung der Systemverschiebung bei verschiedenen Einstauhöhen
- Dokumentation der Hauptsickerwege
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Hydrodynamische Tests
- Test des Verhaltens der Konstruktion bei senkrechter und paralleler Strömungsbelastung bei verschiedenen Einstauhöhen
- Test des Verhaltens der Konstruktion bei senkrechtem und schrägem Treibgutstoß (unterschiedliche Anstoßgeschwindigkeiten und Treibgutmassen) bei verschiedenen Einstauhöhen
Zu testende mobile Hochwasserschutzsysteme
Mobile Hochwasserschutzsysteme können unterschieden werden in Systeme, die direkt zum Verschließen von Öffnungen wie Fenster und Türen an Gebäuden installiert werden, und in linienförmige mobile Hochwasserschutzsysteme. Bild 2 gibt einen Gesamtüberblick über die verschiedenen Arten mobiler linienförmiger Hochwasserschutzsysteme. Unterschieden wird hierbei in ortsgebundene Systeme, die vollständig oder teilweise vormontiert sind, und in ortsungebundene Systeme. Die ortsungebundenen Systeme können insbesondere im abwehrenden Hochwasserschutz und somit als sogenannte Sandsackersatzsysteme eingesetzt werden.
Im Versuchsbecken der TUHH können sowohl direkt an Gebäude zu installierende (Bild 3) als auch ortsgebundene und ortsungebundene linienförmige mobile Schutzsysteme (Bild 4) getestet werden.
Nutzen und Erfordernis von Tests mobiler Hochwasserschutzsysteme
Beim Einsatz mobiler Hochwasserschutzsysteme sind insbesondere sicherheitstechnische Aspekte zu beachten. Die Betriebsweise, Konstruktion und die eingesetzten Materialien sind abhängig von
- der zur Verfügung stehenden Vorwarnzeit,
- der zu erwartenden statischen und dynamischen Belastung aus Wasserstand, Wellen, Eisdruck und Treibgutstoß,
- den aus Witterungseinflüssen und der Zusammensetzung des Wassers (Feststoffgehalt) resultierenden physikalischen Beanspruchungen,
- sowie der geforderten Schutzhöhe und den geotechnischen Bedingungen am Einsatzort.
Zur Gewährleistung eines sicheren Aufbaus und Einsatzes eines Systems ist es erforderlich, Erfahrungen unter Einsatzbedingungen zu sammeln. Dies ist jedoch außerhalb von Testbecken, in denen nicht nur der Auf- und Abbau, sondern auch realitätsnahe Einstaubedingungen simuliert werden können, kaum realisierbar. Ein Test von bisher lediglich in "Trockensituationen" eingesetzten Konstruktionen in realen Hochwassersituationen ist nur dort möglich, wo ein Versagen der Konstruktion nicht schadensrelevant ist. Doch selbst dies stößt i. d. R. auf Grenzen, da die verfügbaren Einsatzkräfte mit der "realen" Hochwasserabwehr beschäftigt sind und zu diesem Zeitpunkt keine zusätzlichen Hilfskräfte für einen Testaufbau eines bisher nicht bewährten Systems zur Verfügung stehen.
Die in den Jahren 2010 und 2011 im Versuchsbecken der TUHH durchgeführten Tests von mobilen Hochwasserschutzkonstruktionen haben gezeigt, dass einige der getesteten Systeme sicher im Hochwasserschutz einsetzbar sind. Sie haben aber auch bei einigen Systemen Schwachstellen dargelegt, die bei einem Einsatz in einem realen Hochwasserfall zu weitreichenden Schäden hätten führen können. Teilweise konnten diese Schwachstellen beseitigt werden, teilweise zeigten die Systeme aber auch gravierende Mängel, so dass von einer Weiterentwicklung der Systeme von Seiten der beteiligten Firmen abgesehen wurde.
Im Projekt SMARTeST werden im laufenden Jahr weitere Tests an mobilen Hochwasserschutzsystemen durchgeführt. Ziel ist es, neben der Verbesserung der getesteten Systeme eine Test-Matrix zu entwickeln, die eine praxistaugliche Einschätzung der Güte getesteter mobiler Hochwasserschutzsysteme ermöglicht, und dass auf deren Basis Zertifizierungen der Systeme durch anerkannte Prüforganisationen durchgeführt werden können.
Referenz
Koppe, Bärbel; Brinkmann, Birgitt: Entwicklung und Einsatz von wassergefüllten Schlauchsystemen im Hochwasserschutz. Konferenzbeitrag acqua alta 2011, Hamburg 2011.
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02.10.2012 - Geändert am:
03.03.2020