Talsperre Klingenberg – Instandsetzung der Staumauer
Die Talsperre Klingenberg an der Wilden Weißeritz in Sachsen wurde von 1908 bis 1914 als Intze-Gewichtsstaumauer aus Bruchsteinen errichtet (Höhe 40 m, Länge Mauerkrone 310 m, Stauinhalt 17,5 Mio. m³). Durch alterungsbedingten Verschleiß nach über 90-jährigem Betrieb und hochwasserbedingte Schäden infolge des Extremereignisses von 2002 bestand erheblicher Sanierungsbedarf. Im Rahmen der Komplexsanierung wurde nach vorgezogenen Teilvorhaben (Hochwasserentlastungsstollen, Ersatzneubau Vorsperre, Ersatzwasserversorgung) zwischen 2006 und 2013 die Staumauer im Auftrag der Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen instand gesetzt und an die a.a.R.d.T. (DIN 19700) angepasst.
Die Auffahrung eines Kontrollganges in der Staumauer zur Installation für Anlagen der Bauwerksüberwachung wurde im bewährten Verfahren "Bohren und Sprengen" ausgeführt. Die Auffahrung (Länge 245 m, vier Zugänge) erfolgte unter Betriebsbedingungen bei 30 mWS mit einem Mindestabstand zur Wasserseite von 3 - 5 m. Der Ausbruchquerschnitt betrug ca. 6 m², die mittlere Vortriebsleistung ca. 2 m / Arbeitstag und der Gesamtsprengstoffverbrauch ca. 4 t. Vor dem Ausbruch wurde eine Berechnung der zu erwartenden Spannungsänderung infolge Sprengeinwirkung vorgenommen, um nachzuweisen, dass bei Einhaltung der gewählten Sprengparameter keine Gefährdung der Gesamtstandsicherheit eintritt. Mit einem umfangreichen Messprogramm wurden die ins Bauwerk eingetragenen Erschütterungen erfasst.
Betriebseinrichtungen
Bedingt durch die hydraulische Überlastung und die massiven Schäden infolge des Hochwassers von 2002, musste die Hochwasserentlastungsanlage (HWE) für neue Bemessungshochwasserzuflüsse (BHQ1 = 145 m³/s, BHQ2 = 224 m³/s) angepasst werden. Dies erforderte in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Spiekermann u.a. eine vollkommen neue Gestaltung der HWE. Für die hydraulische Optimierung wurden an der RWTH Aachen umfangreiche physikalische Modellversuche durchgeführt.
Die neue HWE-Sammelrinne besteht aus einem festen Überfall aus Stahlbeton sowie der stirnseitig angeordneten Fischbauchklappe (Bild 1). Die Kaskade wurde entsprechend der Optimierung im Modellversuch umgebaut und die Tosbeckenbrücke durch einen Neubau ersetzt.
Die Modernisierung der Entnahmeanlage zur künftigen Sicherung der Rohwasserabgabe in Qualität und Menge, war ein Kernstück der Instandsetzungsmaßnahme. Im neuen Entnahmeturm wurden insgesamt sechs Entnahmehorizonte angeordnet, so dass es nun gleichzeitig möglich ist, die Rohwasserabnehmer mit Wasser aus verschiedenen Entnahmehorizonten zu beliefern bzw. Entnahmehorizonte mit ungünstigen Rohwasserparametern in den Unterlauf abzuleiten. Entnahmeanlage und Grundablassanlage wurden getrennt. Die Grundablassanlage wurde in dem zur damaligen bauzeitlichen Wasserableitung errichteten Umleitungsstollen untergebracht, der nach dem Ausbau als Druckstollen betrieben wird.
Staumauer
Im oberen wasserseitigen Staumauerbereich waren Schäden am alten Betonschutzmantel zu verzeichnen. Nach dem vollständigen Rückbau des ca. 100 m langen Intze-Keiles und dem Abbruch des Schutzmantels begann der Neubau der wasserseitigen Abdichtung (Höhe ca. 34 m). Den unteren Abschluss der wasserseitigen Abdichtung und die Anbindung an den Fels bildet eine Kontaktinjektion (einreihig im Abstand von 1,50 m bis in ca. 10 m unter das Dichtwandfundament). Das alte Dichtwandfundament wurde zuvor abgebrochen und durch ein neues, aus unbewehrtem Beton bestehendes, ersetzt. Neben der Funktion als Auflager für die Dichtwand, dient das Dichtwandfundament als Verpresswiderlager für die Kontaktinjektion und bildet als Teil der Abdichtungsebene das Verbindungsglied zwischen Dichtwand und Kontaktinjektion. Die Dichtwand besteht aus der 40 cm dicken Dichtschicht aus Stahlbeton und der im Wesentlichen aus unvermörtelt verlegten Hochlochziegeln bestehenden Dränageschicht. Um der entsprechend dem Mauerkörper 10:1 geneigten Dichtwand ein ebenes Lager zu bieten, war eine Ausgleichschicht aus unbewehrtem Beton erforderlich, die die Abbruchebene egalisiert. Um die unterschiedlich steifen und unterschiedlich exponierten Bauteile Mauerkörper und Dichtwand zu entkoppeln, wurde zwischen Ausgleich- und Dränageschicht eine Gleitschicht aus einer Lage Bitumenbahn angeordnet. Die Dränageschicht entspannt flächenhaft durch die Dichtschicht dringendes Sickerwasser und erlaubt durch ein Netz aus Schächten und Sammelleitungen eine grobe räumliche Eingrenzung eventueller Leckagen vom Kontrollgang aus. Mit einer Sammelleitung über dem Dichtwandfundament wird das durch den Untergrund zuströmende Sickerwasser getrennt von dem durch die Dichtwand dringendem Sickerwasser erfasst. Die Dichtschicht ist im Wesentlichen in 8 m breite Feldstreifen unterteilt und wurde i.d.R. in 4 m hohen Abschnitten hergestellt (Bild 2). Die Raumfugen zwischen den Feldstreifen wurden mit innen liegenden Elastomer-Fugenbändern, die Arbeitsfugen mit Fugenblechen gedichtet. Um das Abheben der Dichtschicht unter Temperatureinwirkung zu verhindern, wurden 570 Gebirgsanker im Mauerkörper verankert.
Der schlechte Zustand sowie der wegen der Entnahmeleitungen gestiegene Raumbedarf machten den Abriss und Neubau des Turmes erforderlich. In Anlehnung an den historischen Schieberturm besitzt der neue Entnahmeturm einen halbzylindrischen Grundriss und ist Teil der wasserseitigen Dichtungsebene. Die Grundfläche musste wegen der Entnahmeleitungen, dem neuen Lastenaufzug und der bisher nicht vorhandenen Treppe vergrößert werden. Zur wirtschaftlichen Bemessung der Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite infolge frühen Zwangs, wurde eine dreidimensionale FEM-Berechnung der Temperatureinwirkung für repräsentative Turmabschnitte vorgenommen. Der zwangsbelüftete Turm bindet seitlich über mit Fugenband abgedichtete Bewegungsfugen an die Dichtwand an.
Die Fugen und die Steine des luftseitigen Mauerwerks wurden mit Wasserhochdruckstrahlen gereinigt und neu verfugt. Die Sanierung erfolgte in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Die gereinigte Mauerluftseite unterstreicht optisch die Sanierung der Gesamtanlage (Bild 3). Auch die Neugestaltung der öffentlichkeitswirksamen Bereiche der Mauerkrone sowie des Kronenbauwerkes erfolgte unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Aspekte.
Die vorhandenen Einrichtungen der messtechnischen Bauwerksüberwachung wurden in mehreren Etappen ergänzt bzw. baulich neu errichtet (u.a. Sohlenwasserdruckmessstellen, Sickerwassermessstellen, Schwimm- und Pendellote).
Wiederinbetriebnahme und Ausblick
Im Januar 2012 begann der mit einem umfangreichen Probestauprogramm begleitete Wiedereinstau. Im September 2013 erfolgte die feierliche Wiedereinweihung des mit 85 Mio. € bisher aufwändigsten Wasserbauprojekts im Freistaat Sachsen. Durch die erfolgreiche Instandsetzung wird die weitere Nutzung der Talsperre für die nächsten 100 Jahre ermöglicht.
Dipl.-Ing. Holger Haufe/ Dipl.-Ing. Dominik Fiedler