Sichtbetonstützen aus Schleuderbeton
Während man bei Bauobjekten in der Schweiz schon seit vielen Jahren auf Stützen aus Schleuderbeton setzt, sind die Vorteile in Deutschland bei vielen Architekten und Planern bisher wenig bekannt. Stützen aus Schleuderbeton ermöglichen selbst bei einem sehr hohen Lastabtrag noch geringe Querschnitte und somit ästhetische wie wirtschaftliche Lösungen. So bieten sich aus Schleuderbeton gefertigte Bauteile vor allem als filigrane und architektonisch anspruchsvolle Sichtbetonstützen für Gebäudefassaden an. Aber auch überwiegend funktionale Bauwerken wie Lichtmasten, Freileitungsmasten, Antennenmasten oder Masten für Autobahnhinweisschilder können als Maßanfertigungen aus Schleuderbeton hergestellt werden.
Wenn große Tragweiten und gleichzeitig schlanke Ausmaße gefragt sind, bietet der Schleuderbeton gegenüber Stahl- und Stahlverbundstützen klare Vorteile. Die Formgebung ist sehr flexibel – ganz gleich, ob runde, ovale oder eckige Querschnitte verlangt werden: Die Stützen lassen sich bis zu einer Länge von 35 m an einem Stück realisieren. Auch Farbe und Oberflächengestaltung können ganz nach Kundenwunsch umgesetzt werden. Darüber hinaus ist der hochverdichtete und porenfreie Sichtbeton sehr resistent gegen aggressive Luft, Frost und andere Umwelteinflüsse und somit besonders langlebig. Ein weiterer Vorteil: Schleuderbeton-Stützen sind innen hohl und bieten daher genügend Platz für Leitungen und Rohre oder die Dachentwässerung. Störende Außenanbauten können somit wegfallen.
Geringe Betondeckung und hoher Bewehrungsanteil
Bei der Fa. Europoles beschäftigt man sich in Kooperation mit renommierten Forschungspartnern – z. B. der Technischen Universität München oder der TU Leipzig – seit vielen Jahren mit dem Einsatz und der Weiterentwicklung von Schleuderbeton – mit dem Ziel, die Grenzen des Machbaren auszuloten und neue Fertigungstechniken sowie Anwendungsmöglichkeiten zu erforschen. Das Unternehmen verfügt derzeit über eine Sonderzulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) und setzt je nach Anforderung einen hochfesten Beton der Güte C 100/115 mit einem Bewehrungsanteil von 16% ein – die aktuelle DIN 1045-1 erlaubt eigentlich nur 9%. Auch der Betondeckungsgrad kann auf ein Minimum von 2,5 cm reduziert werden – hier liegt die eigentliche Mindestanforderung bei 5 cm. Grund für die Genehmigung durch das DIBt: Durch die hohe Zentrifugalkraft bzw. den enormen Druck beim Schleudervorgang in Verbindung mit dem Einsatz von hochfestem Beton weist dieser eine deutlich höhere Verdichtung auf. Das ermöglicht Europoles die Herstellung filigranerer Säulendurchmesser und spart Rohstoffe ein. Ein weiteres wichtiges Forschungsthema ist der Brandschutz. Derzeit wird die bei Europoles über Versuche im Brandofen und ein unternehmensinternes Bemessungsverfahren die Brandschutzklasse F120 nachgewiesen. Die offizielle Zulassung des DIBt wird bis Ende 2010 erwartet.
Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung
Auch auf die Nachhaltigkeit wird großer Wert gelegt. Nachhaltigkeit bedeutet bei Schleuderbetonstützen die ökologische, ökonomische und technische Optimierung der baulichen Struktur bei gleichzeitiger Schonung von natürlichen Ressourcen. Aufgrund des geringen Materialeinsatzes bei hohen Tragfähigkeitseigenschaften erfüllen die Stützen diese Anforderungen. Eine aktuelle Ökobilanz-Studie zeigt für die Schleuderbetonstütze im Vergleich zu Stahlverbundstützen mit ähnlichen Trageigenschaften eine deutlich geringere Umweltwirkung.
Herstellung von Schleuderbeton-Stützen bzw. -Masten
Die Herstellung von Masten und Stützen aus Schleuderbeton setzt ein umfangreiches Know-how und neueste Fertigungstechnologien voraus. Hier ein Einblick in die einzelnen Produktionsschritte im Europoles-Werk in Neumarkt:
- Herstellen/Gießen der Form: Auf einer computergesteuerten Korbwickel-Schweißmaschine werden die Armierungskörbe (je nach Anforderung rund, oval oder eckig) für die Stützen/Masten hergestellt. Sowohl in der Ober- als auch in der Unterschale werden ggf. bereits Aussparungen (z. B. für Decken, Fundament- oder Fassaden-Anschlüsse) berücksichtigt.
- Einlegen und Fixieren des Korbes: Der fertige Armierungskorb wird in die untere Hälfte einer Stahlform eingelegt. Die speziellen Spannstähle werden eingezogen, an beiden Enden der Form in Spannköpfen verankert und leicht vorgespannt.
- Anschweißen von Einbauteilen: Sind besondere Einbauteile notwendig, werden diese in den Armierungskorb eingebracht bzw. darin angeschweißt.
- Einfüllen des Betons: Je nach Anwendung wird der zuvor gemischte, flüssige hochfeste Beton (bis zur Güte C100/115) in die Stahlform eingebracht. Durch die Einfärbung des Weißzements lassen sich mittels Zugabe von genau ausgewählten Zuschlagsstoffen – in Kombination mit der anschließenden Oberflächenbearbeitung – je nach Wunsch auch steinartige Oberflächen erstellen.
- Schließen der Form: Die beiden Formhälften werden geschlossen und verschraubt. Die Spannstähle werden gegen die Form auf Spannung gebracht.
- Schleudervorgang: Die gesamte Form wird danach auf die Schleuderanlage gehoben und der Schleuderprozess beginnt. Ein Elektromotor lässt den Beton in der Schalung ca. 10 Minuten mit ca. 600 Umdrehungen rotieren, so dass der Frischbeton mit einer 20-fachen Erdbeschleunigung an die Schalwandung gepresst wird. Durch die Zentrifugalkräfte entsteht im Inneren des Betonmastes ein Hohlraum.
- Abkühlen und Entschalen: Nach dem Schleuderprozess bleiben die Betonstützen zunächst in der Form und werden nach dem Erreichen der Umspannfestigkeit entschalt.
- Oberflächenbearbeitung: Ist eine Oberflächengestaltung vorgesehen, erfolgt diese z. B. durch Sandstrahlen, Scharrieren, Stocken oder Polieren.
- Lagerung: Das fertige Bauteil wird bis zum Transport zur Baustelle trocken gelagert. Durch das geringe Gewicht – die Stützen sind innen hohl – lassen sie sich vergleichsweise einfach transportieren.
- Einbau: Der Einbau erfolgt bei Stützen in der Regel als Pendel durch eine Verankerung mit Zentrierdorn am Boden bzw. mit Bewehrungsüberstand am Kopf. Weitere Einbaumöglichkeiten sind die Einspannung im Köcher oder die Verschraubung am Fundament.
Schleuderbetonstützen in der Praxis
Ein eindrucksvolles Beispiel für den Einsatz von Stützen aus Schleuderbeton ist das Karstadt Warenhaus in Leipzig. Bei dem von RKW Architekten (Düsseldorf) geplanten Objekt tragen zehn hochbelastete Stützen das vorgelagerte Dach der modernen Glasfassade. Die Stützen verfügen über eine extrem ovale Form. Jede Stütze wurde mit einem Sondergemisch aus Weißzement mit Marmorzuschlag sowie einer Zugabe von 0,1% gelb-brauner Farbe hergestellt und nach dem Entschalen leicht sandgestrahlt – passend zu den historischen Sandsteinfassaden der benachbarten Gebäude. Ein besonderes Highlight ist die in das Innere der Stützen integrierte Abwassertechnik. Im Stützenhohlraum verbergen sich ein schallgedämmtes Abwasserrohr, welches das Dachwasser nach unten ableitet, sowie eine Begleitheizung. Diese sorgt dafür, dass das Wasser bei Minustemperaturen nicht einfriert.
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3501 - Veröffentlicht am:
30.04.2012 - Geändert am:
03.03.2020