Schutzbauten Laui Sörenberg
Murgänge gehören in der Schweiz zu den Naturgefahren mit der größten Zerstörungskraft und führen oft zu schweren Folgen, da sie kaum vorhersehbar sind. Oft durch heftige Regenfälle ausgelöst, erreichen sie Fließgeschwindigkeiten von bis zu 50 km/h. In den letzten 30 Jahren verursachten Murgänge Sachschäden von über 360 Millionen Franken und kosteten 20 Menschenleben - Tendenz steigend aufgrund des Klimawandels. Außerdem hat der wachsende Siedlungsdruck dazu geführt, dass sich Wohngebiete heute vermehrt im Bereich von Murkegeln befinden. Die im luzernischen Entlebuch gelegene Feriendestination Sörenberg ist eine jener Gemeinden in der Schweiz, die immer wieder von Murgängen heimgesucht werden.
Das Gebiet Laui Sörenberg ist ein prähistorisches Bergsturzgebiet. Im Jahr 1910 ereignete sich ein Bergsturz, bei dem ca. 1,5 Millionen m3 Material 40 m den Berg hinunter stürzte und lose liegen blieb. Bei Regenfällen besteht nun immer wieder die Gefahr, dass das abgelagerte Geröll als Murgang ins Tal rutscht. Seit 1979 wird deshalb die Bewegung der Rutschmasse fortlaufend gemessen und aufgezeichnet. Trotzdem konnten weitere Ereignisse im Jahr 1922 und 1986 nicht verhindert werden. Dies führte dazu, dass die Ortsplanung Sörenberg überarbeitet wurde. Die darauf erstellte Gefahrenkarte zeigte auf, wo fortan nicht oder nur eingeschränkt gebaut werden darf.
Entstehung des Schutzprojekts
Beim jüngsten Ereignis aus dem Jahr 1999 wurden die Murgänge durch heftige Regenfälle und gleichzeitige Schneeschmelze ausgelöst – ca. 200 000 m3 Erde rutschten den Hang hinunter bis ins Siedlungsgebiet, wo sie ein größeres Gebiet von Wohnhäusern zerstörten. Danach war klar, dass etwas unternommen werden musste, um in Zukunft weitere Katastrophen zu verhindern.
Nach einer mehrjährigen Planungsphase mit einigen finanziellen und rechtlichen Hürden wurde das mit 14,2 Millionen Franken budgetierte Schutzprojekt schließlich im Mai 2006 durch den Großen Rat und Regierungsrat bewilligt. Das Projekt soll Menschen und die ca. 600 betroffenen Gebäude vor künftigen Murgängen schützen. Nach der Zustimmung des Bundes im Dezember des gleichen Jahres konnten die Ingenieurarbeiten 2007 ausgeschrieben werden. Dank dem Nachweis, dass alle geforderten Fachkompetenzen abgedeckt waren, bekam schließlich das Ingenieurbüro ARP – André Rotzetter + Partner AG, ein Tochterunternehmen der BG-Gruppe, den Zuschlag, nicht zuletzt weil es sich mit dem Geologiebüro Keller + Lorenz AG gezielt verstärkt hat.
Murgänge aufhalten
Murgänge bestehen aus Geröll und Wasser. Um einen Murgang zu stoppen, müssen diese beiden Komponenten voneinander getrennt werden. Eine in der Schweiz weit verbreitete Lösung ist die Erstellung von Rückhaltevolumen in Kombination mit einem Geschieberechen. In Sörenberg werden ein Geschieberechen und zwei Geschiebesammler sowie Brems- und Leitelemente realisiert. Zudem werden Leitdämme mit einer Länge von insgesamt 1,7 km erstellt, welche die rutschenden Massen in die Ablagerungsräume lenken und dafür sorgen, dass sie nicht seitlich ausbrechen. "Stahldreibeine" werden als Bremselemente für die Murgänge eingesetzt, um die Energie zu reduzieren. Die künstlichen Rechen und die natürlichen Ablagerungsräume halten das Geschiebe zurück. Ziel ist es, künftige Murgänge kontrolliert zu führen und das Geschiebe abzulagern, ohne Schaden im Siedlungsgebiet zu verursachen. Die Maßnahmen werden Schutz bieten vor Murgangereignissen mit einer Auftretenswahrscheinlichkeit, die einem 30-100-jährlichem Ereignis entsprechen. Bei einem Extremereignis, dessen Ausmaß nach heutigem Kentnisstand nicht genau beurteilt werden kann, bieten diese Maßnahmen jedoch nur eingeschränkt Schutz. Um die Einwohner von Sörenberg auch vor einem solchen Ereignis bestmöglich zu schützen, wurde eine permanente Überwachung eingerichtet, sodass eine Vorwarnung und Evakuierung möglich sind. Allerdings müsste in diesem Fall mit erheblichen Schäden an den Häusern und Infrastrukturbauten gerechnet werden.
Bauphase
Bei der Anordnung der baulichen Maßnahmen konnte man sich den Umstand zunutze machen, dass zwischen dem eigentlichen, steilen Rutschgebiet und dem Siedlungsgebiet im Tal ein etwas flacheres Gelände liegt, welches sich gut als natürlicher Ablagerungsraum für Murgänge eignet. So kann auch die Gefahr vermindert werden, dass die Bauwerke durch die primären Rutschprozesse zerstört werden.
Bevor im Jahr 2009 mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte, mussten zuerst umfangreiche Rodungsarbeiten auf einer Fläche von 90.000 m2 durchgeführt werden. Bauherr dieses Projekts ist der Kanton Luzern, vertreten durch die Dienststelle Verkehr und Infrastruktur.
Begonnen hat man mit dem Dammbau und dem ersten von zwei Geschiebesammlern mit Abschlussbauwerk im Satzgraben. In einer ersten Etappe wurden im Frühjahr 2010 ein Geschieberechen und ein Geschiebesammler gebaut. Der zweite Geschiebesammler im Lauigraben steht noch aus. Insgesamt werden ca. 3.000 m3 Beton für die Abschlussbauwerke der Geschiebesammler verbaut.
Das für die Leitdämme benötigte Material beläuft sich auf ca. 390.000 m3. Es gibt eine Hauptzufahrtstraße zum Baugebiet, die mitten durch das Siedlungsgebiet führt. Es wird nahezu das gesamte Erdmaterial vor Ort innerhalb des Projektperimeters gewonnen und entsprechend aufbereitet, um die Leitdämme zu erstellen. So kann ein Minimum an Lastwagentransporten bzw. Emissionen erreicht werden.
Im Jahr 2011 wurden ein Großteil der Leitdämme im Flüehüttebach erstellt. Für 2012 ist der Zusammenschluss der Dammbauarbeiten mit dem erforderlichen Geschiebesammler im Lauigraben vorgesehen, der die Schutzbauten Laui Sörenberg vervollständigt.
Insgesamt dauern die Bauarbeiten ca. drei Jahre. Nach Abschluss der Arbeiten wird der zuvor gerodete Waldbereich wieder aufgeforstet, um die Schutzbauten möglichst harmonisch ins Landschaftsbild einzufügen. Der Abschluss des Projekts soll im Jahr 2013 erfolgen.
Integrales Risikomanagement
Die durch Lawinen, Murgänge, Bergstürze und Hochwasser verursachten Schäden sind oft hoch, die Tendenz für die Zukunft ist aufgrund des Klimawandels steigend. Entsprechend entwickelt hat sich in den letzten Jahren der Umgang mit Naturgefahren. In früheren Jahrzehnten standen die bloße Reaktion auf Ereignisse und die Eliminierung von Gefahrenstellen im Vordergrund. Heute werden Schutzmaßnahmen risikoorientiert geplant. Die Wahrscheinlichkeit eines gefährlichen Ereignisses wird dem zu erwartenden Schaden gegenübergestellt. Ein solches integrales Risikomanagement umfasst den gesamten "Kreislauf" beim Umgang mit Naturereignissen: Prävention, Einsatz, Instandhaltung und Wiederaufbau. Die Unternehmen der BG-Gruppe bieten die komplette Palette an Dienstleistungen für einen umsichtigen Umgang mit Naturgefahren an.
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6038 - Veröffentlicht am:
26.09.2012 - Geändert am:
03.03.2020