Schlanke Eisenbahnbrücken als unterhaltungsarme Stahlbetonrahmen
Mit dem Ausbau der S-Bahn-Strecke Meißen-Triebischtal – Dresden – Schöna war die Eisenbahnüberführung über die Dresdner Straße am Bahnhof Meißen durch einen Neubau zu ersetzen. Anstelle der ausgeschriebenen Stahltrogbrücken setzten sich im Wettbewerb unterhaltungsarme Stahlbetonrahmen als wirtschaftlicher Sondervorschlag durch.
Die 1926 errichtete Eisenbahnüberführung über die Dresdner Straße in Meißen bestand aus drei eingleisigen genieteten Vollwandträgerbrücken. In der damals typischen Bauweise überspannten die gevouteten Drei-Feld-Träger mit einem großen Mittelfeld die Fahrbahn und zwei kurzen Randfeldern die Gehwege der Dresdner Straße. Die Überbauten ruhten auf flach gegründeten unbewehrten Betonwiderlagern und Pendelstützen am Gehwegrand zur Fahrbahn, die gegen Fahrzeuganprall ungeschützt waren. Zwischen den Widerlagern betrug die lichte Weite insgesamt 20 m.
Die geringe Schiefe der Brücke war durch versetzte Lageranordnung auf den Auflagerbänken ausgeglichen und die Überbauten rechtwinklig ausgebildet worden. Die Brücke befindet sich im Anschlussbereich der Bahnsteige des Bahnhofs Meißen mit entsprechend vergrößerten Gleisabständen, weshalb zwischen den drei Überbauten Lichträume angeordnet waren.
Über der Dresdner Straße betrug die lichte Höhe nur 4,25 m, was die Durchfahrtshöhe der überregional bedeutenden Staatsstraße S 177 einschränkte und immer wieder zu Anfahrschäden führte.
Ausschreibungsentwurf
Beim Ersatzneubau war über der Staatsstraße die regelgerechte Lichtraumhöhe von 4,50 m herzustellen. Die geringe Brückenschiefe und lichte Weite von 20 m sind durch den Straßenverlauf und die beidseitigen Baufluchten vorgegeben und beizubehalten. Mit dem Streckenausbau konnte ein Betriebsgleis und damit ein Überbau entfallen. Wegen der angrenzenden Bebauung und Bahnsteige sollten weder die Straße abgesenkt, noch die Gleise angehoben werden, so dass die größere lichte Höhe nur zu Lasten der Konstruktionshöhe realisiert werden konnte und sich der Abstand zwischen Schienenoberkante und Überbauunterkante auf 1,39 m reduzierte. Gleichzeitig sollte auf Stützen verzichtet werden.
Der Ausschreibungsentwurf sah zwei Trogbrücken aus seitlich angeordneten geschweißten Vollwandträgern sowie zwischenliegender Fahrbahnkonstruktion vor. Das Fahrbahnblech sollte direkt beschottert werden. Mit diesem seitlich nach oben überstehenden Tragwerk konnte die geringe Konstruktionshöhe realisiert werden. Die beiden Überbauten waren mit 96 und 94 gon leicht schief zur Lagerachse ausgerichtet. Wie beim Bestandsbauwerk wurden flach gegründete Widerlager gewählt. Durch den Wegfall der Zwischenpfeiler ergab sich eine maßgebliche Vergrößerung der Gründungslasten. Gemäß Baugrundgutachten wurde zur Lastabtragung ein Bodenaustausch bis 4,50 m unter Straßenoberkante notwendig. Für den Bodenaustausch waren rückverankerte Verbauwände sowie umfangreiche Umverlegungen von Versorgungsleitungen erforderlich.
Sondervorschlag
Maßgebliche Kostenanteile der Entwurfslösung sind die vorgefertigten Stahlüberbauten, deren Montage sowie der zur Flachgründung erforderliche Bodenaustausch im Schutz verankerter Verbauwände. Alternativ dazu wurde ein Stahlbetonrahmen mit Tiefgründung untersucht.
Abzüglich der Höhe für Gleis, Schotteroberbau und Brückenabdichtung verblieb eine Konstruktionshöhe von 62 cm. Mit einer angenommen Stützweite von 22,00 m ergab sich damit eine Schlankheit l/h von 35. Unter Eisenbahnlasten lassen sich üblicherweise solche Rahmenriegelabmessungen nicht realisieren. Im vorliegenden Fall bestand jedoch die Möglichkeit, im 4,00 m breiten Gehwegbereich die geforderte lichte Höhe zu verkleinern und Vouten im Rahmenriegel anzuordnen. So wurde in den Rahmenecken die Konstruktionshöhe von 62 cm auf 120 cm vergrößert. Damit werden die maßgeblichen Feldmomente deutlich abgemindert.
Gleichzeitig galt es, die Gründung zu optimieren. Mit dem Wegfall der Lager konnten die Unterbauten der Beanspruchung entsprechend dimensioniert und verschlankt werden, was die Möglichkeit einer einreihigen Bohrpfahlgründung eröffnete. Die vorliegende Baugrunderkundung und –beurteilung ließ in der Angebotsphase jedoch nur eine Grobdimensionierung der Tiefgründung zu. Danach wurden direkt unter den Rahmenstielachsen je eine einzelne Bohrpfahlreihe angeordnet. Die Flügel wurden an die Rahmenstiele angehängt. Zur Reduzierung der Erddruckeinflussfläche wurden die Flügel in Abweichung zum Entwurf unterschnitten ausgebildet. Für die wirklichkeitsnahe Modellierung des integralen Tragwerks ist die genaue Erfassung der horizontalen Pfahlbettung maßgeblich. Mit der seitlichen Bettung ergibt sich die rechnerischen Einspannlänge und mit dem Momentdurchgang die rechnerische Rahmenstiellänge. In der Vorbemessung konnte mit einer Grenzwertbetrachtung der Bettungsparameter ein vorteilhafter Beanspruchungsverlauf für die aufgehende Rahmenkonstruktion nachgewiesen werden.
Bauausführung
Der von der STRABAG Rail eingereichte Sondervorschlag wurde durch die DB Projektbau als Bauherrenvertreter gewertet und bezuschlagt. Nach Beauftragung und mit Anpassung der Kreuzungsvereinbarung wurden ein Übersichtsplan sowie eine Vorstatik abverlangt. Der Bauunternehmer beauftragte eine nachträgliche Baugrunduntersuchung zur Erkundung der Kennwerte für die Gründungsbemessung. Im Rahmen der Ausführungsplanung wurden die Pfahldurchmesser mit 1,20 m festgelegt. Damit genügten sieben Pfähle je Widerlagerachse zur sicheren Lastabtragung in den Baugrund. Bei der Pfahldimensionierung galt es, das Verhältnis zwischen Vertikallastabtragung und erforderlicher Biegetragfähigkeit zu optimieren. Im günstigsten Fall können große Anteile der Biegezugbeanspruchung mit der Pfahlnormalkraft überdrückt werden.
Als bauliche Schwierigkeit erweist sich regelmäßig die in die Rahmenstiele eingelegte Rahmeneckbewehrung. Als vorteilhaft hat sich erwiesen, in den Rahmenstielen Aussparungen vorzusehen und die Rahmeneckbewehrung mit der Riegelbewehrung einzubauen. Weiterhin wurde im gesamten Rahmenriegel auf Bügel verzichtet. Erforderliche Querkraftbewehrung wurde über die abgestuft abgebogene Rahmeneckbewehrung abgedeckt. Damit wurden sowohl der Stahlbedarf und -einbau optimiert, als auch günstige Verhältnisse für den Betoneinbau geschaffen.
Dipl.-Ing. Peter Simchen, Dipl.-Ing. (FH) Michael Heidel
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7062 - Veröffentlicht am:
29.01.2014 - Geändert am:
03.03.2020