Passau-Ilzstadt: Brückenbau mit Holz, Beton und Stahl
Brücken spielen in der Dreiflüssestadt Passau seit jeher eine wichtige Rolle. In der Ilzstadt, einem vom Durchgangsverkehr geprägten Stadtteil, musste eine alte Stahlbetonbogenbrücke im Verlauf der B 12 in Passau-Ilzstadt über die Ilz unter Aufrechterhaltung des Verkehrs abgebrochen und neu gebaut werden.
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Wegen einer fehlenden weiträumigen Umfahrung muss der überörtliche Verkehr nach wie vor durch die Passauer Innenstadt abgewickelt werden. Als Teil des Dreiflüsseecks ist die Ilzstadt von Passau seit jeher ein verkehrliches Nadelöhr. Die Brücke musste aufgrund ihres Alters (Baujahr 1949) und der ständigen Überlastung 2009 erneuert werden. Die Zustandsnote der Stahlbetonbogenbrücke mit einer Stützweite von 46 m betrug bei einer Bewertungsskala zwischen 1 und 4 nur 3,4, d. h. die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit waren eingeschränkt. Wegen der fehlenden Umleitung wurde während der Bauzeit eine Behelfsbrücke in unmittelbarer Nähe errichtet. Die Verkehrsbelastung auf dieser Behelfsbrücke beträgt täglich 17000 Fahrzeuge, davon ca. 8 % oder 1350 LKW. Der durchschnittliche tägliche Verkehr einer Bundesstraße beträgt im Schnitt und für beide Fahrtrichtungen ca. 10000 KFZ.
Behelfsbrücke mit Holzüberbau
Das wirtschaftlichste Angebot sah eine Behelfsbrücke mit Holzüberbau vor. Bei dem 4-Feld-Bauwerk mit einer Gesamtstützweite von 52 m wurden die Pfeiler mit vorgefertigten Fundamenten aus Stahl und Beton im Flussbett gegründet. Als Pfeiler dienten je Pfeilerachse 3 verfüllte Brunnenringe mit Ortbetonquerträger. Der Holzüberbau wurde mit 4 Brettschichtträgern (24/116 cm), Querbalken (10/16 cm) und unter 45° verlegten Bohlen mit 4 cm Dicke errichtet. Als Schrammbord wurden Peinerträger HEB 300 verwendet. Im Fahrbahnbereich wurde ein spezielles Vlies als Abdichtung verlegt, als Belag kam eine 8 cm dicke Tragdeckschicht zum Einsatz. Die Anforderungen an die Behelfsbrücke entsprachen im Wesentlichen denen des Bestandsbauwerkes. Die Traglast war für Brückenklasse 45 festgelegt, die Fahrbahn war 7,5 m breit. Der Holzbau hat sich hinsichtlich Kosten und Bauzeit gegen Stahlfertigteile (Segmentbauweise) und Betonfertigteile mit Ortbetonergänzung durchgesetzt. Nach dem Baubeginn Mitte Februar 2009 konnte die Behelfsbrücke bereits nach 10 Wochen unter Verkehr gehen. Bis zur Verkehrsfreigabe des Brückenneubaues war lediglich eine Belagserneuerung geringeren Umfanges notwendig. Nach dem Abbruch der Behelfsbrücke wird das Holz für eine Dachkonstruktion wiederverwendet, der Holzabfall wird zu Hackschnitzel weiterverarbeitet.
Verkehrsführung
Der Bauablauf war so konzipiert, dass durch die Baustelle so wenig als möglich in den Verkehrsraum eingegriffen werden musste. Die Arbeiten an der Gründung wurden wegen möglicher Hochwässer – die Baustelle liegt im Mündungsbereich der Ilz und ist von Hochwässern aller drei Flüsse gefährdet – zeitlich auf ein Minimum begrenzt. Um Platz für die Baustelle zu gewinnen, wurde die Zufahrt zur Behelfsbrücke anstelle 2-spurig mit Ampelregelung auf jeweils eine Zufahrtsspur reduziert. Dafür wurden die Ampeln abgeschaltet. Lediglich bei Anforderungen von Fußgängern oder der einmündenden Gemeindestraße erhielt die B 12 Freyungerstraße das Rotsignal. Ab der Behelfsbrücke konnte sich der Verkehr entflechten. Die Widerlager der Bestandsbrücke wurden stehengelassen, die Widerlager für den Neubau wurden vor die bestehenden erstellt. Auf diese Weise konnte eine tiefe Baugrube vermieden werden, die empfindlich in den Verkehrsraum eingegriffen hätte.
Abbruch des Bestandsbauwerkes
Nachdem im April 2009 der Verkehr auf die Behelfsbrücke umgelegt worden war, wurde die bestehende Brücke bis auf die beiden Stahlbetonbogensegmente abgeräumt. Anschließend wurden die bestehenden Widerlager mit Ankern gesichert. Ein unkontrollierter Abbruch der beiden ca. 5 m breiten Bogensegmente war zu vermeiden, da eine Beschädigung der Ankerköpfe zu befürchten gewesen war. Die Bogensegmente wurden durch Pfeiler aus Betonringen unterstützt. Mit Kernbohrungen wurde eine Sollbruchstelle geschaffen. Anschließend wurde der Querschnitt der Bögen vom Scheitelgelenk aus durch einen Bagger mit Abbruchhammer solange geschwächt, bis er plötzlich versagte und in die Ilz abkippte. Der Bagger war am Seil eines Mobilkrans gesichert.
Neubau der Brücke
Die Widerlager des Neubaus wurden auf jeweils vier Bohrpfählen d = 1,50 m auf Fels gegründet. Da der Neubau mit 46 m Stützweite als sogenanntes integrales Bauwerk (beidseits eingespannter Rahmen) errichtet wurde, mussten wegen Temperaturänderungen Bewegungen zugelassen werden. Dies wurde durch eine wasserdichte elastische Ummantelung der Bohrpfähle erreicht. Nach Einbringen der Bohrpfähle konnten die Widerlager erstellt werden. Doch ausgerechnet bei den Arbeiten an der Widerlagersohle war im Juni 2009 Hochwasser, so dass die Bauarbeiten für 10 Tage eingestellt werden mussten. Der Überbau war als Stahlverbundbrücke konzipiert. Drei 1,5 m breite und 0,85–2,15 m hohe Stahlhohlkästen wurden im Werk gefertigt und zur Baustelle geliefert. Dort wurden sie von der Behelfsbrücke aus eingehoben. Auf die Stahllängsträger wurden Fertigteilplatten verlegt. Nach den Schalungs- und Bewehrungsarbeiten konnte die 45 cm dicke Ortbetonplatte fertiggestellt werden. Kappen (Gehwege), Abdichtung, Fahrbahnbelag und Geländer wurden von September bis Dezember 2009 erstellt. Zeitgleich wurden die Versorgungsleitungen für Gas, Wasser, Strom und Telekommunikation verlegt und an den Bestand an beiden Ufern angeschlossen. Die neue Brücke wurde im Dezember 2009 für den Verkehr freigegeben. Der Abbruch der Behelfsbrücke und die Angleichungsarbeiten an den Gehwegbereichen erfolgten im Februar 2010. Die beschriebenen Änderungen der Verkehrsführung und die konsequente Planung mit möglichst geringer Verkehrsbeeinträchtigung haben den befürchteten täglichen Verkehrskollaps verhindert. Mit dem Neubau wird die Leistungsfähigkeit der B 12 als eine der Hauptverkehrsachsen in Passau langfristig sichergestellt.
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30.04.2012 - Geändert am:
06.12.2016