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Neue Cambridge Mosque: ornamentale Tradition mit Holz interpretiert

In Cambridge entsteht eine Moschee, deren Innenraum Assoziationen an einen Paradiesgarten weckt – mit Bäumen, deren Astwerk sich zu einem tragenden und schirmenden Gewölbe ausbreitet. Die aufgehenden Träger der 30 Stützen verflechten sich zu Mustern, die tradierte Bauformen des Moscheebaus aufgreifen, hier aber in moderner Bauweise mit einer vollständig aus Holz bestehenden Konstruktion verwirklicht werden.

Die neue Großmoschee, das New Mosque Project, entsteht derzeit an der Mill Road von Cambridge und wird als Herzstück einen Gebetssaal für 1.000 Gläubige beherbergen. Allein diese Zahl ist beeindruckend. Die eigentliche Besonderheit liegt jedoch in der ungewöhnlichen Konstruktionsweise des Gebäudes: Oberhalb der Tiefgarage wird das Projekt aus vorgefertigten Holzbauteilen errichtet. Die in jeder Hinsicht europäisch-modern geprägte Bauweise und Materialität verbindet sich dabei ungezwungen und bruchlos mit der traditionellen, vom Islam inspirierten Formensprache zu einem harmonischen Ganzen.

Ihren Kulminationspunkt findet das Miteinander beider Welten im freigeformten Dachtragwerk, das den Raumeindruck sowohl im rund 8,50 m hohen Gebetssaal als auch im etwas niedrigeren Eingangsbereich prägt. Der Entwurf des Londoner Büros Marks Barfield Architects spielt mit dem Motiv von Bäumen einer Oase, deren aufgehende und sich miteinander verflechtende „Äste“ das tragende Gewölbe bilden und zugleich eine atemberaubende Raumatmosphäre des Beschirmt- und Geborgenseins erzeugen.

Schon im Massivbau wären die vielfachen, zweisinnigen Rundungen und Verschlingungen eines solchen Gewölbes eine erhebliche Herausforderung. Hier wurden sie ganz im Sinne des Konzepts der „ökologischen Moschee“ vom Free Form-Team der Blumer-Lehmann AG komplett aus mehrfach gekrümmten Fichten-Brettschichtholzträgern hergestellt.

Vollständiges parametrisches Digitalmodell

Gerade das Urwüchsige und scheinbar Wilde des Dachtragwerks erforderte ein hohes Maß an Ordnung und Organisation. Deshalb wurden Digitalisierungsexperten der Firma Design-to-Production (D2P) mit der Entwicklung eines detaillierten, parametrischen CAD-Modells der Holzkonstruktion beauftragt. Ausgehend von den Entwurfszeichnungen der Architekten entstand so in enger Zusammenarbeit mit den Ingenieuren von SJB Kempter-Fitze das komplett digitalisierte Vorfertigungs- und Montagekonzept der Konstruktion.

„Wir haben die Form so modelliert, dass der Gewölbeschub an jeder Stelle optimal ausgenutzt werden kann, was vergleichsweise kleine und vor allem an jeder Stelle gleiche Trägerquerschnitte von 160 × 250 mm ermöglichte“, erläutert Johannes Kuhnen von D2P die Herangehensweise. „Gleichzeitig konnte die Rotationssymmetrie der Trägersegmente rund um die Stützen gewahrt werden, wodurch sich in der Produktion die Zahl der Gleichteile erhöht und trotz der freien Form eine Fertigung mit rationellen Losgrößen möglich wurde.“

So ließen sich die insgesamt 2.746 Segmente auf nur 145 unterschiedliche Bauteiltypen reduzieren, die ihrerseits auf nur 23 verschiedene Typen von Brettschichtholz-Rohlingen basieren.

Diese Rohlinge hatten es allerdings in sich, wie Jephtha Schaffner, Projektleiter bei Blumer Lehmann, erklärt: „Wir haben mit geraden, aber auch mit einfach und sogar zweifach gekrümmten Ausgangselementen gearbeitet, die alle 5-achsig gefräst wurden. Das erforderte eine sorgfältige Produktionsstrategie und vor allem eine Weiterentwicklung unserer Software, die wir in Teilen quasi neu geschrieben haben. Der Aufwand hat sich aber gelohnt. Nach dem Überspielen des Codes auf die CNC-Fräsen wurde nur noch ein Mann für die Überwachung der weitgehend automatisierten Prozesse benötigt.“

Sorgfältig zu planen waren außerdem die Verbindungen der Segmente in der komplexen Tragwerkstruktur. Für die Hirnholzanschlüsse in Längsrichtung der Träger kamen u. a. Schlitzbleche und Idefix-Verbinder zum Einsatz. Querstöße wurden verblattet und verschraubt, jedoch nicht verleimt. In extrem gekrümmten Bereichen musste das Einfahren der Blattverbindungen vorab digital simuliert werden, um die Geometrie der Montagesequenz zu überprüfen.

Tageslicht über Kuppel und Oberlichter

Die Besucher der Moschee erleben das Tragwerk mit seinem regelmäßigen Grundrissraster von 8,10 x 8,10 m als Inszenierung der besonderen Art: Sie treten zunächst in den etwas niedrigeren und durch Trennwände unterteilten Eingangsbereich ein, in dem sich ein Café und Begegnungsräume befinden. Erst danach erreichen sie den sichtbar höheren und ungeteilt-großzügigen Gebetssaal mit seinen 16 Stützen in harmonischer 4 x 4-Anordnung.

Für die natürliche Beleuchtung des Raums mit Tageslicht ist über jeder der aufgehenden Stützen ein Oberlicht angeordnet, wobei der Lichteinfall dem Tragwerk Kontrast und eine fast grafische Wirkung verleiht. Gekrönt wird der Saal von einem weithin sichtbaren 9 m hohen Dom, der ebenfalls auf dem Boden montiert und dann mit dem Kran auf die Deckenkonstruktion gehoben wurde.

Die seitlich an den Dom anschließenden insgesamt rund 2.000 m² großen Flachdachbereiche entstanden als Holz-Rippendecken, die Außen- und Innenwände überwiegend als Holzrahmenkonstruktionen. Den raumseitigen Abschluss bilden jeweils Dreischichtplatten, die einen weißen Brandschutzanstrich erhalten und im Innenraum einen helle und freundliche Atmosphäre erzeugen. In den Baukörper integriert sind außerdem drei Treppen sowie zwei Wohnungen, die mit Brettsperrholzwänden und -decken ausgeführt wurden.

Erste ökologische Moschee in Europa

So besteht tatsächlich die komplette Konstruktion der Moschee aus Holz. Der natürliche Werkstoff prägt den architektonischen Gesamteindruck und schafft zudem eine Atmosphäre der Anregung und Inspiration. Tradierte geometrische Muster des Moscheebaus verbinden sich mit einer modernen nachhaltigen Bauweise, was – in Verbindung mit der geplanten photovoltaischen Energiegewinnung und Regenwassergewinnung – die Bezeichnung als erste ökologische Moschee Europas rechtfertigt. Lediglich die kleinteilig strukturierte Klinkerfassade durchbricht den Materialkanon des Holzes. Diese wird zusammen mit der künftigen Vergoldung der Kuppel voraussichtlich Anfang 2019 die Funktion und Nutzung des Gebäudes nach außen klar kommunizieren.

Logistik als Schlüssel für reibungslose Montage

Insgesamt 80 Lastwagenladungen mit knapp 3.800 einzelnen Bauelementen legten die Reise von Gossau im Kanton St. Gallen ins rund 1.500 km entfernte Cambridge zurück.

„Unsere Logistik musste die Lkw-Transportbedingungen in verschiedenen Ländern Europas und auf der Fähre zwischen Rotterdam und Hull berücksichtigen“, beschreibt Jephta Schaffner diese Phase des Projekts. „Dies war eine Voraussetzung für die nur ein knappes halbes Jahr dauernde Bauphase der gesamten Holzkonstruktion."

Während die aufgehenden Stützen aus nur wenigen, weitgehend vormontierten Einzelteilen bestehen, waren für die verflochtenen Gewölbe zwischen ihnen etwa 70 bis 80 Holzteile auf dem Boden zusammenzusetzen und zu verschrauben, die dann wie eine Krone mit einem Kran zum Einbauort gehoben wurden. Für den Zusammenbau lagen aus dem parametrischen Modell abgeleitete Montagepläne vor. Wegen der Rotationssymmetrie rund um die 30 baumartigen Stützen wiederholten sich die Abläufe zudem, was die Arbeiten zusätzlich beschleunigte. Besondere Sorgfalt verlangte die Auswahl des jeweils richtigen Verbindungsmittels, waren doch insgesamt rund 39.000 Schraubverbindungen verschiedenster Art und Dimension zu berücksichtigen.

Referenzen

Cambridge, Cambridgeshire, East of England, England, Großbritannien (2019)

Bauwerkskategorien

  • Über diese
    Datenseite
  • Product-ID
    7595
  • Veröffentlicht am:
    26.06.2018
  • Geändert am:
    26.06.2018