Hochwasserschutz in Köln, Stadtteil Rodenkirchen
Die Stadt Köln liegt an beiden Ufern des Rheins und besitzt historisch und geologisch bedingt eine sehr flache und zum Rhein hin tiefliegende Geländestruktur. Köln gehört daher zu den Großstädten, die wiederholt und sehr stark von Hochwasser betroffen sind. Ohne einen funktionierenden Hochwasserschutz sind bei einem 100-jährlichen Hochwasser etwa 100 000 bis 200 000 Kölner Einwohner gefährdet. Risiko- und Schadenspotenzialgutachten bewiesen bei diesen für Köln extremen Wasserständen neben der Gefährdung von Personen und Tieren eine Schadenshöhe von mehreren Milliarden €. Nach den verheerenden Hochwasserereignissen 1993 und 1995 beschloss der Rat der Stadt Köln im Jahr 1996 die Umsetzung des Hochwasserschutzkonzeptes gegen ein 100-jährliches Hochwasser für die Stadt Köln.
Die für das gesamte Stadtgebiet vorgesehenen Hochwasserschutzmaßnahmen sind auf 19 Planfeststellungsabschnitte verteilt und werden nahezu parallel bearbeitet. Die Durchführung und Durchsetzung der Hochwasserschutzmaßnahmen wurden zunächst vom Amt für Brücken und Stadtbahnbau der Stadt Köln begleitet. Seit dem Jahr 2004 sind die Stadtentwässerungsbetriebe Köln für den Hochwasserschutz verantwortlich.
Der Stadtbezirk Rodenkirchen ist der südlichste Bezirk im linksrheinischen Köln. Zum Stadtbezirk Rodenkirchen gehören 13 Stadtteile mit einer Gesamtfläche von ca. 55 km2 und knapp 100 000 Einwohnern. Der unmittelbar am Rhein gelegene historische Ortskern von Rodenkirchen mit der Maternus-Kapelle ist ein überregional beliebtes Ausflugsziel. Der gesamte Stadtbezirk Rodenkirchen erhält in insgesamt 5 Planfeststellungsabschnitten einen deutlich verbesserten Hochwasserschutz durch neue stationäre und mobile Wände und unterirdische Anlagen. Die in diesem Artikel beschriebenen Hochwasserschutzmaßnahmen beziehen sich auf den Planfeststellungsabschnitt (PFA) 4 - Auenviertel - im Stadtteil Rodenkirchen. In diesem Uferabschnitt werden verschiedenste Hochwasserschutzanlagen erstellt, u. a. die Änderung der öffentlichen Kanalisation, Hochwasserschieber, Qualmwasserfassung und ein Großpumpwerk als unterirdische Schutzanlagen sowie mobile und stationäre Deich-/Wandkonstruktionen als oberirdische Schutzanlagen.
Wasserstände
Der Mittelwasserstand des Rheins beträgt durchschnittlich 3,48 m am Kölner Pegel (KP), dessen Pegelnull bei ca. 35 m über NN liegt. Das letzte nennenswerte Hochwasser im Januar 2003 hatte einen Höchststand von 9,71m KP. Die Jahrhunderthochwasser in den Jahren 1993 und 1995 lagen bei 10,63 m bis 10,69 m KP. Das Hochwasserschutzkonzept der Stadt Köln sieht vor, einen Hochwasserschutz gegen ein Bemessungshochwasser (BHW) mit einer 100-jährlichen Wiederkehrwahrscheinlichkeit sicherzustellen und hierzu vorhandene Hochwasserschutzeinrichtungen für dieses Bemessungshochwasser auszubauen sowie erforderliche Neubauten umzusetzen. Bezogen auf den Kölner Pegel entspricht ein 100-jährliches Hochwasser einem Pegelstand von 11,30 m. Auf NN-Höhen umgerechnet, bedeutet dies entsprechend dem Rheingefälle Schutzhöhen von 47,57 m über NN bis 47,48 m über NN. In dem topographisch tief liegenden Bereich des Planfeststellungsabschnittes PFA 4 wird die dortige Uferstraße derzeit bei ca. 7,80 m KP überflutet. Bei Eintreten eines Hochwassers mit 11,3 m KP wird das Hochwasser vom Rhein her nach Süden ansteigen und große Teile des Auenviertels fast vollständig überfluten. Die unmittelbar an der Uferstraße liegenden Gebäude würden bis ca. 3 m eingestaut, rückliegende Gebiete teilweise sogar noch höher.
Durch die geplante Hochwasserschutzvorrichtung wird zwar der Rhein von der Bebauung ferngehalten, doch aufsteigendes Grundwasser gefährdet die Standsicherheit der Hochwasserschutzvorrichtung und die Siedlungen nach wie vor. Um im Hochwasserfall den Betrieb der Hochwasserschutzvorrichtung und deren Standsicherheit sicherzustellen, wird das aufsteigende Qualmwasser in einer Tiefe von ca. 2 m unter GOK gefasst. Bei 11,30 m KP liegt der maximale Qualm-/Drängewasseranfall aufgrund der anstehenden hochdurchlässigen Kiesschichten in diesem Bereich inklusive Sicherheitszuschlägen bei 3 500 l/s auf einer Länge von 810 m.
Stationärer und mobiler Hochwasserschutz
Bei der Planung der Hochwasserschutzvorrichtung wurde besonderer Wert darauf gelegt, die bestehenden Sichtbeziehungen zum Rhein durch das Schutzbauwerk so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Der Lösungsansatz ist die Trennung von fester und mobiler Schutzeinrichtung. So bildet ein Erddamm von maximal nur 45 cm Höhe und eine aufgesetzte Mauer von maximal 75 cm Höhe den ortsfesten Teil des Schutzbauwerks. Städtebaulich ist dieser Teil harmonisch integriert und hält einem Hochwasser bis 9,40 m KP bereits zuverlässig Stand. Die geforderte Absicherung bis 11,30 m übernehmen mobile Elemente. Die niedrige Mauer wird in Beton ausgeführt und mit Naturstein-Mauerwerk verblendet. Die Mauer ist als Kopfbalken für die darunter liegende Stahlspundwand geplant, welche auf der gesamten Strecke des Planfeststellungsabschnitts PFA 4 den unterirdischen Teil des Schutzbauwerks bildet. Die Spundwände dienen der Verlängerung des Fließweges der hochwasserbedingten Grundwasserströmung und verhindern im Hochwasserfall einen hydraulischen Grundbruch. Auch die anfallende Qualm-/Drängewassermenge hinter den Schutzsystemen wird so deutlich reduziert. Aluminiumdammbalken bilden das mobile, oberirdische Bauwerksteil. Bei Hochwasser lassen sich hier Stahlstützen einlegen und verspannen. Der Stützenabstand beträgt im Regelfall 3 m. Die mobilen Elemente sind entlang einer Baumreihe parallel zur Uferstraße mit einer Höhe von 2 m angeordnet. Ausnahmen bilden ein Querschott (3,20 m) und die Durchlässe in der stationären Mauer. Hier erreichen die mobilen Elemente eine Höhe von 2,75 m.
Qualmwasserfassung und -ableitung
Im Bereich der Uferstraße ist die Hochwasserschutzmauer mit mobilen Wandelementen bis zu einer maximalen Höhe von 3,50 m über Gelände vorgesehen. Um das entstehende Dränage-/Qualmwasser zu verringern und die Standsicherheit der Hochwasserschutzvorrichtung zu erhalten, wird unterhalb der Hochwasserschutzmauer eine ca. 10 m tief in den Kies einbindende Spundwand niedergebracht und eine Drängewasserfassung zur Grundbruchvermeidung im Spundwandbereich eingebaut. Die Qualmwassersammelleitung wird in den Verteidigungsweg entlang der Spundwand verlegt. Geplant sind zwei unterschiedliche Fassungssysteme. In einem Abschnitt wird ein kombiniertes Dränage- und Ableitungsrohr aus Porenbeton in einer mittleren Tiefe von 2 m verlegt. Das Gefälle der vorhandenen Straßenoberkante läuft entgegengesetzt zu dem Gefälle der geplanten Qualmwasserableitung, so dass in einem 2. Abschnitt ein Dränagesystem (Tiefenlage 2 m) und eine tiefer liegende Sammelleitung erforderlich sind. Die Dränage erfasst aufsteigendes Wasser und führt es in eine Sammelleitung. Als Besonderheit wird auf einer Länge von 325 m das Dränage-/Qualmwasser und Abwasser in einem gemeinsamen, zweigeteilten Rahmenprofil abgeleitet. So kann im Zusammenhang mit einem ebenfalls neu zu bauenden Abwasserkanal der Stadtentwässerung der Eingriff in den Straßenraum verringert werden.
Abwasserableitung
Die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen bewirken eine Trennung des Abwassersystems in der Uferstraße von überfluteten und geschützten Bereichen. Zur Realisierung wird die Fließrichtung des Mischwassers in der Uferstraße gegenüber dem Bestand umgekehrt. Das Mischwasser fließt bei Hochwasser nicht mehr Richtung Westen, sondern Richtung Osten zum neuen Pumpwerk. Im Hochwasserfall wird der Mischwasserkanal abgeschiebert und das Mischwasser über ca. 600 m dem ebenfalls neu geplanten Mischwasserpumpwerk zugeführt. Das behandlungspflichtige Abwasser gelangt über ein vorhandenes Schmutzwasserpumpwerk zur Kläranlage Rodenkirchen, während der nicht behandlungspflichtige Teil in den Rhein abfließt. In der hochwasserfreien Zeit geschieht dies über ein noch zu errichtendes Regenüberlaufbauwerk, das die vorhandenen Auslasskanäle zur Ableitung nutzt.
Da die geplanten Bauwerke direkt an eine Wohnbebauung grenzen, ist beim Bau auf besonders emissions- und erschütterungsarme Verfahren zu achten. Dazu zählen der Verbau mittels überschnittener Bohrpfahlwand und die ausschließliche Verwendung modernster Geräte auf der Baustelle.
Misch- und Qualmwasserpumpwerk
Das neue Misch- und Qualmwasserpumpwerk wird direkt an ein bestehendes Schmutzwasserpumpwerk in der Uferstraße angebaut. Der hochwasserfreie Zugang in das Pumpwerk erfolgt über das bestehende Schmutzwasserpumpwerk, so dass auf ein zusätzliches Hochbauteil verzichtet werden kann. Das Bauwerk ist ca. 32 m lang, 14 m tief und bis zu 25 m breit. Das Pumpwerk fördert im Bemessungsfall 3 500 l/s Dränage-/Qualmwasser aus dem Bereich der geplanten Hochwasserschutzwand sowie ca. 4 500 l/s nicht behandlungspflichtiges Abwasser und gereinigtes Wasser aus dem Ablauf der Kläranlage.
Der Pumpwerkstandort wurde so gewählt, dass die zu fördernden Medien in die vorhandenen Auslasskanäle eingeleitet werden können. Wesentliche Bestandteile des Pumpwerks sind eine Betriebswarte mit 30 Schaltschränken, eine Energiezentrale mit 2 Trafos und Notstromanlagen sowie ein Maschinenraum mit 11 trocken aufgestellten Pumpen und 2 Pumpensümpfen. Im Hochwasserfall ist das Pumpwerk mit Personal besetzt, jedoch können die wichtigen Betriebs- und Störmeldungen über eine fernwirktechnische Aufschaltung in der Hochwasserleitzentrale angezeigt und die Anlagenteile von dort bei Bedarf ferngesteuert werden.
Durch die hochwertige Bebauung im direkten Anschluss an das geplante Pumpwerk werden auch für die Herstellung, insbesondere für die Baugrube, nur emissionsarme Verfahren eingesetzt. Das Pumpwerk soll nach Fertigstellung begrünt werden und einen umgebenden Sichtschutz aus Büschen und Bäumen erhalten.
Realisierung
Die Stadt Köln hat die ARCADIS Consult GmbH mit der Objekt-, Tragwerks- und Landschaftsplanung für alle oben beschriebenen Bauwerke und Maßnahmen für den PFA 4 einschließlich Bauüberwachung beauftragt. ARCADIS plant ferner die gesamte Maschinen- und Elektrotechnik. Nach derzeitiger Kalkulation werden die im PFA 4 geplanten Maßnahmen finanzielle Mittel in Höhe von ca. 15 Millionen € erfordern. Die Baumaßnahmen für die stationären Hochwasserschutzmaßnahmen und die Einrichtungen der Binnenentwässerung sollen ab Mai 2004 aufgenommen werden und bis 2008 abgeschlossen sein. Sie schließen die Realisierung der baulichen Grundvoraussetzungen für die Aufnahme der mobilen Hochwasserschutzelemente ein. Der Kölner Stadtteil Rodenkirchen wird ab 2005 bis zu einem Kölner Pegel von 9,40 m geschützt und ab 2008 gegen ein 100-jährliches Hochwasserereignis im Rhein gerüstet sein.
Autoren: Siegfried Wagner, Henning Werker, Peter Michels, Dirk Jelinek
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20.06.2013 - Geändert am:
31.10.2014