Fugen- und lagerlose Rahmenbrücken in Spannbeton
Auch Brücken haben ein Innenleben. Im Fall der Unstruttalbrücke in Sachsen-Anhalt sind dies Entwässerungstrassen und Energieleitungen, die über mehr als 2,6 km geführt werden, gehalten von JORDAHL® Ankerschienen.
Im Rahmen des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Schiene Nr. 8 wurden im Zuge der Neubauverbindung Erfurt-Halle/Leipzig der Bau von drei Tunneln und sechs Talbrücken notwendig. Allein die Talbrücken dieses Projektes haben eine Gesamtlänge von 14,4 km. Eine der Brücken überquert das Unstruttal bei Karsdorf im Burgenlandkreis im Süden von Sachsen-Anhalt. Das knapp 2.700 m lange Bauwerk ist für Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h ausgelegt und verbindet den Bibra- mit dem Osterbergtunnel. Die Brücke besteht aus einer Kette von 580 m langen fugen- und lagerlosen Rahmenbrücken, eine Konstruktionsform, die so bei einer Spannbetoneisenbahnbrücke erstmals in Deutschland eingesetzt wird. Verantwortlich für die Bauausführung des markanten, 49 m hohen Baus ist eine ARGE aus Alpine Bau Deutschland AG, NL Leipzig/Halle und Berger Bau GmbH Berlin.
Schlank und wartungsarm
Die Brückenkonstruktion stützt sich auf 41 Pfeiler und vier Bögen, die die Festpunkte des statischen Systems bilden. Die Talbrücke ist in sechs Abschnitte unterteilt, welche die Bewegung durch Temperaturschwankungen und Verkehrslasten aufnehmen. Um Setzungen zu vermeiden, ist die gesamte Brücke auf Großbohrpfählen gegründet, die bis zu 40 m tief in den Boden reichen. Diese Maßnahme war notwendig, da die Brücke als integrales System ausgelegt ist, also nicht über Lager auf den Pfeilerköpfen verfügt. Die Pfeiler und die Bögen sind mit dem Überbau direkt verbunden. Die Brückenüberbauträger, bestehend aus einem Hohlkasten und darauf liegender Fahrbahn, werden mit Hilfe eines Vorschubgerüstes hergestellt. Der 770-t-Koloss, welcher die Schalung für die Überbauherstellung trägt, schiebt sich von Pfeiler zu Pfeiler, so dass die Überbauabschnitte Stück für Stück realisiert werden können – die wirtschaftlichste Lösung für Brücken dieser Länge.
Eine der größeren Herausforderungen stellte die Gründung der Bögen dar, da die Bögen eine horizontale Last einbringen. Diese Kräfte werden ebenfalls durch Großbohrpfähle mit einem Durchmesser von jeweils 180 cm aufgefangen, denn der tragfähige Grund beginnt erst in 10 bis 15 m Tiefe. Zusätzlich sind die Bögen sprengwerkähnlich ausgestaltet, um auch seitliche Windlasten aufnehmen zu können. Über beachtliche Abmaße verfügt der Hohlkasten der Brückenträger: Bei einer lichten Höhe von 4 m misst er in der Breite unten 5 m und oben rund 7,5 m. Bei größeren Stützweiten oder gekrümmter Linienführung bietet diese Bauform eine hohe Biege- und Torsionssteifigkeit und macht besonders schlanke Konstruktionen überhaupt erst möglich.
Innerhalb des Hohlkastens werden verschiedenste Ver- und Entsorgungsleitungen geführt. Die mächtigste Entsorgungsleitung stellt die 1.100 m lange Entwässerung des Osterbergtunnels mit einem Rohrdurchmesser von DN 800 dar. Dazu kommen knapp 2.700 m Rohrleitungen für die Brückenentwässerung, Elektroleitungen für Beleuchtung und Stromversorgung über die gesamte Brückenlänge sowie Aufhängungen für Winden und Lasthaken. Die Entwässerungsrohre sind an der Decke des Hohlkastens, also an der Fahrbahnunterseite montiert, die Kabelpritschen zur Aufnahme der Elektroleitungen an den Seitenwänden.
Ankerschienen in Edelstahl zwischen 15 und 85 cm
Zur sicheren und schnellen Befestigung dieser Komponenten entschieden sich die Planer für JORDAHL®-Ankerschienen aus Edelstahl in fünf verschiedenen Abmessungen und Längen zwischen 15 und 85 cm. Für die Produkte der Deutschen Kahneisen Gesellschaft sprach nicht zuletzt das Preis-/Leistungsverhältnis sowie deren bauaufsichtliche Zulassung durch das Deutsche Institut für Bautechnik, wie sie grundsätzlich bei Bahnprojekten vorgeschrieben ist als auch die Europäisch-Technische Zulassung ETA-09/0338 der Produkte des Herstellers.
Die JORDAHL® Ankerschiene bildet zusammen mit den passenden Schrauben ein vielseitiges und bewährtes Befestigungssystem. Sie nimmt Lasten auf Zug und auf Querzug senkrecht zur Schienenachse auf. Durch die Kombination mit weiteren Komponenten des Zubehörprogrammes lassen sich eine Vielzahl von statischen und dynamischen Problemen der Befestigungstechnik einfach und effektiv lösen. Die Ankerschienen dieses Herstellers verfügen über eine statische Tragfähigkeit von bis zu 40 kN Gebrauchslast, die zugelassene Dauerschwingfestigkeit beträgt bis zu 7 kN bei 2 x 106 Lastwechseln. Werden die Schienen in der Nähe von Bewehrungen verbaut, ergibt sich zusätzlich eine erhöhte Tragfähigkeit. Ein besonderer Vorteil von Ankerschienen ist die Verankerung von Lasten, ohne den Beton oder die Bewehrung zu beschädigen. Dazu lassen sie sich hervorragend in stark bewehrten Beton oder filigrane Bauteile ≥ 10 cm einpassen.
Software unterstützt die Bemessung
Zur effizienten Bemessung von Ankerschienen stellt das Berliner Unternehmen seinen Kunden eine intuitiv bedienbare Bemessungssoftware zur Verfügung. Grundlage des Programms ist wiederum die Europäisch Technische Zulassung (ETA 09/0338) und die Bemessungsvorschrift für Ankerschienen CEN/TS 1992-4-3. JORDAHL® EXPERT ermöglicht eine schnelle und übersichtliche Eingabe von Ankerschiene, Lasten und der geometrischen Randbedingungen des Betonbauteils. Die Software erlaubt eine sichere Nachweisführung für die Verankerung in Beton mittels Ankerschienen vom Typ JTA. Die Bemessung wird an die individuelle Befestigungssituation angepasst und damit technisch und wirtschaftlich optimiert. Bei der Bemessung können Ankerplatten und Konsolen berücksichtigt werden. Dazu stehen drei verschiedene Konsoltypen zur Auswahl. Die Ergebnisse der Mehrfachbemessung werden für alle verfügbaren Schienengrößen angezeigt. Nach Auswahl einer Ankerschiene steht dem Anwender ein Feature zur Optimierung der Betonrandabstände zur Verfügung. Unter Berücksichtigung der bis zu 30 % verbesserten Verankerungswiderstände von Querkräften im Beton kann für alle Befestigungssituationen der optimale Randabstand automatisch berechnet werden.
Ab 2015 rollen die Züge
Die Fertigstellung des 60-Mio-€-Projektes ist für Mitte 2012 geplant. Die notwendigen landschaftspflegerischen Maßnahmen werden im darauf folgenden Jahr abgeschlossen sein. Zur Kompensation der unvermeidlichen Eingriffe in die Natur – dazu gehörte auch die Verlegung von fünf Wirtschaftswegen und des Flusses Dissau – sind laut Planfeststellungsbeschluss großflächige Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen notwendig. Das Baustraßennetz wird zurückgebaut. Lediglich eine Zufahrt verbleibt als Rettungsweg zum Westportal des Osterbergtunnels. Ab 2015 werden dann die ersten Züge auf der 123 km langen Neubaustrecke quer durch das Unstruttal rollen.
Eberhard Rademeier / Heinz-Jürgen Zamzow
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09.10.2012 - Geändert am:
03.03.2020