Erstmaliger Einsatz der Steckträgerbauweise im Hochwasserschutz am Rhein im Rahmen der Landesgartenschau Leverkusen 2005
Mit einem etwa 300 m langen Lückenschluss zwischen der Deponie Dhünnaue Süd und dem Werksgelände der Bayer AG wird zur Zeit der Hochwasserschutz am Rhein für den Leverkusener Stadtteil Wiesdorf und damit der letzte Baustein im Hochwasserschutz für das gesamte Stadtgebiet südlich der Wuppermündung fertiggestellt.
Auslöser für den Bau der Hochwasserschutzanlage zum jetzigen Zeitpunkt war die Landesgartenschau (LAGA) 2005. Der siegreiche Entwurf der Landschaftsplaner stand u. a. auch unter dem Anspruch, die Stadt Leverkusen wieder an den Rhein zurückzubringen. Obwohl die Rheinfront der Stadt Leverkusen fast 9 km lang ist, besteht aufgrund der gewachsenen Strukturen nur im Bereich des Ortsteils Wiesdorf zwischen der Rheinbrücke und dem Bayerwerk auf einer Gesamtlänge von knapp 900 m für die Bevölkerung die theoretische Möglichkeit an den Rhein zu gelangen. Dieser Bereich ist Teil des Geländes, das im Jahre 2005 für die Landesgartenschau vorgesehen ist. Der Bauabschnitt liegt im südlichen Ausläufer des Geländes der Landesgartenschau, für den eine Wegebeziehung vorgesehen ist, die den Stadtkern mit dem Rhein verbindet und vor einer Kaimauer endet. Über einen geschwungenen Weg, den so genannten "Bumerangweg”, wird von der Promenade eine Verbindung zum "Rheinpark” hergestellt, dem zentralen Bereich der Landesgartenschau. Unterhalb dieser neuen Promenade wird in zwei Ebenen eine Platzanlage angeordnet, die zum einen die Funktion einer Promenade in Wassernähe erfüllt und zum anderen auch die Zugänglichkeit zu den Ausstellungsschiffen ermöglicht, die während der Landesgartenschau hier verankert werden sollen.
Das hochuferartige Gelände in diesem Bereich liegt jedoch relativ niedrig, sodass eine Hochwassersicherheit für ein 200-jähriges Hochwasser nicht gegeben ist. Von diesem Hochwasser ist der Ortsteil Wiesdorf in erheblichem Maße betroffen. Darüber hinaus wird durch diese Lücke das Werk der Bayer AG gefährdet. Die Errichtung eines geeigneten Hochwasserschutzes war somit zwingend erforderlich.
Da dieser Bereich sowohl unter den Gesichtspunkten der Landesgartenschau als auch unter denen des Hochwasserschutzes zu überplanen war, bot es sich an, das Schöne und Machbare - die Gartenausstellung - mit dem Notwendigen und Erforderlichen - dem Hochwasserschutz - zu verbinden und beide Planungen zusammenzuführen. Die Planung der Hochwasserschutzanlagen hatte dabei besonderen technischen und gestalterischen Anforderungen zu genügen. So waren neben den gestalterischen Vorgaben der Landesgartenschau-Planung vor allem die parallel zum Bauwerk verlaufende Grundwassersperre der angrenzenden Deponie Dhünnaue Süd, mehrere sensible Versorgungsleitungen in unmittelbare Nähe der Hochwasserschutzachse, sowie ein komplexes Grundwassersystem zu berücksichtigen.
Planungsvorgaben
Das Gelände der Landesgartenschau umfasst zu einem nicht unerheblichen Teil das Gebiet der sanierten Dhünnaue, das ehemals als Deponie genutzt wurde. Diese Deponie wurde zum Rhein hin mit einer Grundwassersperrwand umschlossen, die auch in den Bereich des Hochwasserschutzes hineinragt. Aufgrund der Bauweise und der Funktion stellte diese erhebliche Anforderungen an die Planung des Hochwasserschutzbauwerkes. So waren jegliche Beschädigungen der Wand durch Erschütterungen bzw. eine große Auflast (z. B. durch schweres Gerät) oder durch horizontale Baugrundbewegungen im Zuge der Herstellung und des dauerhaften Betriebs der Böschungssicherung zu vermeiden, um die Funktionsfähigkeit der Wand nicht einzuschränken. Weiterhin war eine maßgebliche Beeinflussung des komplexen Grundwassersystems zwischen der Dhünnaue und dem Bayerwerk zu vermeiden. Die vorhandene Grundwasserströmung zwischen Bayerwerk und Beginn der Grundwassersperrwand darf in keiner Weise durch das Hochwasserschutzbauwerk beeinträchtigt werden.
In unmittelbarer Nähe der Achse des erforderlichen Hochwasserschutzbauwerks sind Versorgungskanäle und -leitungen vorhanden, die ebenfalls in der Planung zu berücksichtigen waren. Besondere Aufmerksamkeit war diesbezüglich einer Flüssiggasleitung zur Bayer AG zu widmen, für die ein beidseitiger Schutzstreifen von je 5,0 m zu berücksichtigen war. Weiterhin durften im Bereich der Leitungen nur in geringem Umfang zusätzliche Erdauflasten aufgebracht werden, sodass sich auch für die Wegeführungen der Landesgartenschau besondere Randbedingungen ergaben.
Im nördlichen Anschluss an den vorhandenen Hochwasserschutz des Bayerwerkes befindet eine etwa 42 m lange, in die Böschung eingebundene massive Kaimauer. Hierbei handelt es sich um eine zwischen 1,7 m (Kopf) und knapp 3,0 m (Fuß) breite Schwergewichtswand aus Beton, die eine Bauwerkshöhe von etwa 4,5 m aufweist und auf einer Höhe von etwa 38,9 m ü NN gegründet ist. Diese Mauer soll weitgehend in den neuen Hochwasserschutz integriert werden. Im Bereich der Böschungsoberkante, knapp 100 m nördlich des Werksgeländes der Bayer AG, liegt ein Bauwerk der Technischen Betriebe Leverkusen. In einem Schacht befindet sich ein Schieber, mit dem im Hochwasserfall der Regenwasserentlastungskanal des Pumpwerks Wiesdorf geschlossen wird. Der Entlastungskanal ist von einem Senkkasten (mit einem Außendurchmesser von etwa 7,0 m) umgeben und reicht bis auf eine Gründungstiefe von etwa 31,0 m ü NN. Das Schieberhaus hat über Flur eine Höhe von 2,85 m. Der Ablaufkanal mündet wasserseitig der Uferböschung in einem Auslaufbauwerk in den Rhein (Kanalsohle auf 32,92 m ü NN). Auch dieses Bauwerk muss in den Hochwasserschutz eingebunden werden.
Planungsentwurf
Aufgrund der o. g. Randbedingungen für die Planungen musste der Bau einer Spundwand ausgeschlossen werden, insbesondere weil wegen der großen freitragenden Höhe eine große Einbindetiefe notwendig geworden wäre, die den Grundwasserstrom behindert hätte. Eine Rückverankerung hätte die vorhandene Sperrwand der Dhünnaue durchstoßen und war deshalb auszuschließen. Die Lösung war ein Bohrpfahl/Steckträger-System mit zwischengehängten Betonfertigteilen.
Dabei ist vorgesehen, Doppel-T-Träger als Steckträger (gemäß Vorbemessung: HEM 320) im Abstand von 2,5 m in Bohrlöchern auf einem Sohl-Niveau von 34,2 m ü NN zu gründen und bis auf eine Höhe von etwa 39,8 m ü NN einzubetonieren.
Die Steckträger haben bis zur erforderlichen Ausbauhöhe der Hochwasserschutzwand von 44,7 m ü NN eine freie Länge von 5,9 m. Die Betonfertigteile werden anschließend zwischen die Träger eingestellt. Die Fugen zwischen Trägern und Betonteilen werden dicht vergossen, um bei Hochwassereinstau ein Durchsickern von Wasser zu verhindern. Das Gelände hinter der so erstellten Hochwasserschutzwand wird bis auf 0,7 m unterhalb der Oberkante des Bauwerks aufgefüllt. Durch diese Bauweise werden die landseitig auftretenden Vertikalbewegungen des Bodens und damit ein schädigender Einfluss auf die Sperrwand und die sensiblen Produktenleitungen weitgehend verhindert.
Im südlichen Bereich ist vorgesehen, den oberen Teil der vorhandenen Schwergewichtsmauer abzubrechen. Auf der herzustellenden waagerechten Fläche werden L-Steine im Mörtelbett aufgesetzt und mit Dübeln im Untergrund verankert. Im weiteren Verlauf bis zum Beginn der "Steckträgerwand” werden die L-Steine im Erdreich verlegt. Das vorhandene Schieberbauwerk wird dabei in diese Wand eingebunden. Alle Betonteile sind im sichtbaren Bereich in Sichtbeton-Qualität ausgeführt. Die gesamte Hochwasserschutzwand wird abschließend mit einem Betonfertigteil abgedeckt.
Die Promenade am Ufer ergibt sich durch einen abgestuften Platz. Die Abstufung war erforderlich, da die mögliche frei tragende Länge der Steckträger aus statischen Gründen begrenzt ist. Die wasserseitige Begrenzung der Promenade wird durch eine Stützwand aus Spundwandprofilen mit einem Kopfbalken gebildet. Die Promenade selber wird asphaltiert. Um Veranstaltungen auf der Promenade zu ermöglichen, werden Anschlüsse für Strom- und Wasserversorgung vorgesehen, die gleichzeitig von den vor der Platzanlage verankerten Ausstellungsschiffen genutzt werden. Die Zugänglichkeit zur Promenade wird durch eine Rampe und eine Treppe sichergestellt, deren Wangen ebenfalls aus dem Steckträgersystem bestehen.
Bauausführung
Die Maßnahme wurde Anfang 2004 europaweit ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt die Fa Bunte, Papenburg. In der Bauausführung wurde zuerst eine Bauplattform aufgeschüttet, die es ermöglichte, die Spundwand am Ufer zu rammen und den Kopfbalken herzustellen. Anschließend wurden insgesamt 86 Stück verrohrte Bohrungen im Durchmesser 0,8 m erstellt. Nach dem Verfüllen mit Beton wurden die Verrohrungen gezogen und die Steckträger eingerüttelt. Aufgrund der gebogenen Achse der Hochwasserschutzwand und der fixen Abmessungen der Betonfertigteile war es zwingend erforderlich, die Steckträger so zu fixieren, dass sie absolut senkrecht im definierten Abstand in den Beton eingerüttelt werden konnten. Weiterhin musste verhindert werden, dass die Träger im noch weichen Beton nachsacken. Durch eine entsprechend gestaltete Schablone, an der die Steckträger temporär angeschweißt wurden, konnte dies mit hoher Genauigkeit erreicht werden. Im weiteren Bauablauf wurden die Köpfe der Betonpfähle auf die erforderliche Höhe abgestemmt und der zwischen den Pfählen anstehende Boden entsprechend ausgehoben. Anschließend konnten die Wandelemente mit Plattengrößen von max. 2,5 m x 5,85 m zwischen die Träger eingestellt und fixiert werden. Auf der rückwärtigen Seite wurden die Fugen zwischen Stahlträgern und Betonfertigteilen vergossen. Im November 2004 wurden die wasserseitigen Flächen der Stahlträger mit Ortbeton-Lisenen verkleidet.
Fazit
Die vorgegebene Bauzeit war sehr kurz und wurde vor allem durch die bis zur Eröffnung der Landesgartenschau fertig zu stellenden Nachfolgegewerke begrenzt. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass hier im Hochwasserschutz zum ersten Mal dieses System ausgeführt wird und noch keine Erfahrungen bestanden, ist festzustellen, dass dieses System geeignet ist, in kurzer Zeit den notwendigen Hochwasserschutz in schwierigem Umfeld herzustellen. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass in beengtem Umfeld weitgehend erschütterungsfrei gearbeitet werden kann. Die technische Ausführung der Hochwasserschutzeinrichtungen wurde stark durch die örtlichen und gestalterischen Randbedingungen bestimmt. Eine in Abschnitten verschieden gewählte Bauweise der Hochwasserschutzwand aus Steckträgern mit zwischenliegenden Betonfertigteilplatten oder als oberflächennah gegründete Wand aus Winkelstützelementen trägt hier den gegebenen Anforderungen besonders Rechnung.
Malte Hoffmann, Simone Möller
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21.06.2013 - Geändert am:
30.09.2014