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Allgemeine Informationen

Andere Namen: Wilhelm-Koch-Stadion
Baubeginn: 1961
Fertigstellung: 1963
Status: in Nutzung

Bauweise / Bautyp

Funktion / Nutzung: Stadion / Arena

Preise und Auszeichnungen

2015 Einreichung  

Lage / Ort

Lage: , ,
Koordinaten: 53° 33' 16" N    9° 58' 4" E
Koordinaten auf einer Karte anzeigen

Technische Daten

Abmessungen

Osttribüne
Dach Breite 37 m
Länge 120 m

Baustoffe

Dachfachwerk Stahl

Überdachung der Osttribüne des Millerntor-Stadion

Beschreibung der Konstruktion

Aufgabenstellung

Der Tragwerksentwurf für die Überdachung einer Fläche von 120 x 37 m ging von klaren Randbedingungen aus, die darin bestanden, dass lediglich die hintere 120 m lange Begrenzungslinie der zu überdachenden Fläche sowie etwa zwei Drittel der Seitenränder als Auflagermöglichkeiten zur Verfügung standen. Pylone und Abspannungen außerhalb dieser Fläche waren nicht möglich, außerdem konnte eine Einspannung einer Konstruktion am hinteren Rand nicht realisiert werden. Als naheliegende und schon sehr oft ausgeführte Konstruktionen waren große Abfangträger, z.B. ein Bogentragwerk oder ein über 120 m weit spannender Hauptfachwerkträger angedacht worden, jedoch aufgrund deren optischer Dominanz verworfen worden. Die architektonische Problematik bestand darin, eine „Sprache“ zu finden, die zusammen mit den bereits existierenden West- und Südtribünendächern sowie der noch zu einem späteren Zeitpunkt zu errichtenden Nordtribüne eine architektonisch überzeugende Einheit bilden soll. Charakteristisches Merkmal der West- und Südtribüne sind zum Spielfeld hin auskragende, dreiecksförmig spitz zulaufende Fachwerk-Kragträger, die im Westen in einen Massivbau eingespannt sind und im Süden auf einem längslaufenden Träger mit zwei Innenstützen im Zuschauerraum auflagern und 11 m nach innen auskragen. Für die neue Überdachung der Osttribüne sollte eine ähnliche Konstruktion, spitz nach vorn zulaufend, mit einer wahrnehmbaren maximalen Höhe von rund 2,5 m gefunden werden.

Beschreibung des Tragwerks

Die o.g. naheliegenden Lösungen für dieses Problem, also etwa ein über rund 150 m weit gespannter Bogen, eine über 120 m weit gespannte Hängekonstruktion mit Pylonen und seitlichen Abspannungen oder ein gewaltiger über 120 m weit gespannter Fachwerk-Dreigurtträger, lagen außerhalb der „architektonischen“, selbst gestellten Ansprüche des Tragwerksingenieurs und wurden verworfen.

Die Lösung ergab sich aus der Kenntnis des Tragverhaltens einer dreiseitig gelagerten drillsteifen Platte, die nicht über randparallele Biegemomente sondern vor allem über Drillmomente in den Ecken trägt.

Das gewählte Tragwerk besteht aus einem in Längsrichtung des Daches verlaufenden Fachwerkträger, der an vier spezielle „antimetrische Torsions-Konstruktionen“, die vier Stabpyramiden, angehängt ist. Diese Konstruktion ist dem o.g. typischen Momentenverlauf der dreiseitig gelagerten Platte nachempfunden mit Drillmomenten in den Ecken und abhebenden Eckkräften (nach der Plattentheorie 2 mxy). Die Wirkung der Drillmomente kann uminterpretiert werden in Biegemomente, die wechselseitig gleich sind und in den Ecken diagonal verlaufen. Dabei treten große negative Biegemomente mit Zug oben in Richtung der Winkelhalbierenden und Zug- Auflagerkraft in der Ecke und gleich große positive Biegemomente mit Zug unten senkrecht dazu auf. Diese Wirkung wird je Pyramide durch 2 diagonal verlaufende, sich kreuzende, dreieckförmige Fachwerkträger mit jeweils nur zwei Feldern bewerkstelligt. Der erste Hauptträger verläuft von der vorderen Eckstütze in der seitlichen Fassade, ca. 26 m von der hinteren Ecke entfernt, zum ersten Viertelspunkt der rückseitigen Längslinie und ist dort auf einer kurzen Stahlstütze auf einer der auskragenden Betonstützen gelagert. Die Spannweite beträgt ca. 40 m. Sein Untergurt verläuft horizontal, sein Obergurt bildet ein 7 m hohes Dreieck, in dessen First ein vertikaler Stab angebracht ist, der zur Mitte des Untergurtes führt. Der zweite Hauptträger ist in der hinteren äußeren Ecke des Daches auf einer kurzen Stahlstütze auf der äußersten der auskragenden Betonstützen gelagert. Er kreuzt den beschriebenen ersten Hauptträger und lagert sich auf diesem auf, sein Untergurt verläuft ebenfalls horizontal. Sein Obergurt bildet ebenso ein 7 m hohes Dreieck mit gleicher Spitze wie der erste Träger und kragt über diesen zum ersten Viertelspunkt der vorderen Längsachse, in der sich der o.g. Fachwerkträger befindet, aus. Unter vertikalen, nach unten gerichteten Lasten (Eigenlast und Schnee) hat der Obergurt des ersten Trägers Druck, der Untergurt Zug, beim diagonal kreuzenden zweiten Träger ist es genau umgekehrt. Deshalb wird das Tragwerk „antimetrischer Torsionsträger“ genannt. Die Stabkräfte der Außenpyramiden betragen rund 9,5 MN, die der Innenpyramiden 2,6 MN. Dafür wurden 508 mm Rohre mit 30 bzw. 10 mm Wandstärke gewählt. Durch Koppelstäbe in der Mitte der Ober- und Untergurtstäbe wurde die Biegesteifigkeit der Zugstäbe für die Knickaussteifung der zugeordneten Druckstäbe genutzt. Die effektive Schlankheit reduziert sich dadurch auf die Hälfte. Für das Knicken in Querrichtung wurde die Federsteifigkeit des Koppelstabes mit Einspannung in die Torsionssteifigkeit des zugeordneten Zugstabes in Ansatz gebracht. Nur durch diese Maßnahmen konnten die geringen Stabquerschnitte bei 21 m Knicklänge erzielt werden. Durch die beschriebene Auskragung des zweiten Trägers wird ein neues „Auflager“ am vorderen Viertelspunkt der Längsachse geschaffen, auf den sich die zweite Pyramide mit gleicher Wirkungsweise auflagern kann. Am vorderen Rand kann damit ein durchlaufendes Längsfachwerk aufgehängt werden, das mit Spannweiten von je 30 m über vier Felder spannt und deshalb vergleichsweise harmlose Kräfte aufweist und sehr schlank dimensioniert werden konnte. An dem Längsfachwerk sind im gegenseitigen Abstand von 7,5 m die Nebenfachwerke mit extrem schlanken Gurtquerschnitten HEA 140 / 160, Pfosten HEA 100 und Diagonalen Ø 108/5 und darauf die Durchlaufpfetten HEA 140 aufgelagert. Die Fachwerke kragen zum Spielfeld gut 11 m weit aus und laufen nach vorn dreieckförmig spitz aus. In der rückseitigen Achse sind sie auf den auskragenden Stahlbetonstützen gelagert. Hier können sie die Windkräfte senkrecht zum Spielfeldrand und die in diese Richtung wirkenden Kräfte aus Wind auf die Seitenwände, die durch den Dachaussteifungsverband entstehen, ableiten. Das Haupttragwerk, bestehend aus den vier Pyramiden ist in der rückseitigen Achse auf fünf Punkten unverschieblich gelagert.

Die Aussteifung der Dachkonstruktion in Querrichtung erfolgt zunächst über die Primärkonstruktion, die durch die dreiecksförmige Struktur Festpunkte in der Achse des Längsfachwerks bildet. Zusätzlich werden zur Aussteifung der Gurte der Nebenfachwerke diagonale Druck-/Zugstäbe aus Rohren in der oberen und unteren Dachebene sowie längslaufende Druck-/Zugstäbe in der unteren und Pfetten in der oberen Dachebene angeordnet. Die Pfetten laufen über die Obergurte der Nebenfachwerke als Durchlaufträger biegesteif durch. Sie wurden nach der Fließgelenktheorie berechnet. In den Untergurten sind die Aussteifungsstäbe in den Achsen der Fachwerkgurte angeschlossen. Die Exzentrizitäten durch den Trägerversatz wurden im Gesamtmodell durch fiktive Koppelstäbe berücksichtigt. Die horizontalen Windkräfte auf die Seitenfassaden werden an die Pfetten abgegeben und in den Dachverband geleitet.

Materialwahl

Die Konstruktion wurde komplett in S355 errichtet. Dies bietet gegenüber einem S235 bei den vorwiegend biege- und zugbeanspruchten Tragwerksteilen sowie den Knotenpunkten den entscheidenden Vorteil eines 50% höheren Spannungsniveaus mit entsprechender Stahleinsparung. Bei den vorwiegend, jedoch nicht ausschließlich druckbeanspruchten Teilen ist der Vorteil geringer, jedoch ist die Gesamtbilanz der Einsparung bei gleichem spezifischen Energieverbrauch und CO2-Ausstoß in der Herstellung des Stahls mit rund 30% erheblich.

Besondere Ingenieurleistung

Die besondere Ingenieurleistung besteht in der Entwicklung eines innovativen Tragwerks als Reaktion auf besondere Randbedingungen. Bei Auflagerbedingungen am hinteren Rand sowie in den beiden seitlichen Fassaden der Tribüne wurde zunächst das Tragverhalten einer dreiseitig gelagerten Platte studiert und in ein stählernes Stabtragwerk übersetzt. Im Gegensatz zu einer "normalen" Konstruktion aus kantenparallel gespannten Tragwerken, wie z.B. bei einem Trägerrost, wurde aus der Wirkungsweise einer drillsteifen Platte der Tragmechanismus über die Drillmomente mit großer Eck-Zugkraft in diagonale, sich kreuzende Fachwerkkonstruktionen mit kurzen Spannweiten übertragen. Eine besondere Herausforderung bestand darüber hinaus in den Knotenpunktkonstruktionen der Pyramiden. Hier wurden Rohr-in-Rohr-Anschlüsse mit 40 HVSchrauben pro Anschluss ausgeführt, wobei der fertigungsbedingte Spalt zwischen den Rohren zu berücksichtigen war. Zur Optimierung der Konstruktion wurden plastische Schraubenkraftverteilungen berücksichtigt und plastische Nachweise in den Knotenblechkonstruktionen mit sich kreuzenden Flügelblechen und geschlitzten Rohren geführt. Gegenüber elastischen Berechnungen konnten hier erhebliche Einsparungen erzielt werden.

Erläuterungsbericht von ProfessorPfeiferundPartner Ingenieurbüro für Tragwerksplanung zur Einreichung beim Ulrich Finsterwalder Ingenieurbaupreis 2015

Beteiligte

Überdachung der Osttribüne
Architektur
Tragwerksplanung
Stahlbau

Relevante Webseiten

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  • Über diese
    Datenseite
  • Structure-ID
    20060262
  • Veröffentlicht am:
    07.06.2011
  • Geändert am:
    17.01.2018
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